"Wir wollen die Opfer des Amoklaufs nie vergessen"
ANNABERG/MELK. Am 17. September 2013 erschoss Alois Huber in Annaberg drei Polizisten und einen Rettungssanitäter - Lokalaugenschein ein Jahr nach dem blutigen Amoklauf.
Heute vor einem Jahr erschütterte die Wahnsinnstat eines Holzhändlers Österreich. Alois Huber (55), bekannt als Wilderer von Annaberg, tötete mit gezielten Schüssen aus einem Sturmgewehr drei Polizisten und einen Rot-Kreuz-Sanitäter. Der Vierfach-Mörder schoss sich danach auf seinem Anwesen in Großpriel bei Melk eine Kugel in den Kopf.
"Es war eine grausliche Nacht mit Regen und Sturm, gegen sechs Uhr Früh erreichte mich ein erster Anruf, dass Schüsse gefallen sind", erinnert sich Petra Zeh, VP-Bürgermeisterin in der kleinen Gemeinde Annaberg in Niederösterreich. Stunde um Stunde wurden die Nachrichten schlimmer, erhöhte sich die Zahl der Opfer: "Irgendwann hab’ ich mir gedacht, dass darf alles nicht wahr sein."
Bürgermeisterin Petra Zeh: »Unser Ort hat sich wieder aufgerappelt«.
Alltag und Andenken
Ein Jahr nach dem Amoklauf ist in Annaberg wieder Ruhe eingekehrt. "Wir haben uns nicht unterkriegen lassen, untereinander viel geredet, und wir haben uns wieder aufgerappelt", sagt die Ortschefin beim Lokalaugenschein der OÖNachrichten. Das Verbrechen werde immer ein Teil der Geschichte von Annaberg bleiben. "Das Leben geht weiter, aber wir wollen die Opfer nicht vergessen, das ist unsere Verpflichtung", sagt Zeh. Am Jahrestag des Amoklaufs wird ein Gedenkstein enthüllt. Die Familien von Johann Ecker, Manfred Daurer, Roman Baumgartner und Johann Dorfwirth, die Innenministerin, Abordnungen von Polizei, Rotem Kreuz und Bergrettung werden an einem Gedenkzug durch Annaberg teilnehmen.
Die Bürgermeisterin steht auch mit der Witwe von Sanitäter Johann Dorfwirth (70) aus Annaberg in Kontakt und weiß, "dass die Situation nicht einfach für die Hinterbliebenen ist". Am Jahrestag würde alles wieder hochkommen, "auch jede noch so gut gemeinte Benefiz-Veranstaltung zu Gunsten der Kinder, ist eine emotionale Belastung".
Im 65 Kilometer entfernten Großpriel bei Melk steht der gramgebeugte Vater des Todesschützen, Alois Huber senior (86), in der Haustüre und kämpft mit den Tränen. Der Transportunternehmer im Ruhestand lebt in einer kleinen Wohnung eines Bauernhofes, der im Besitz seines Sohnes stand. Einen Steinwurf von dem Gehöft entfernt haben sich vor einem Jahr hochdramatische Szenen abgespielt. Alois Huber hat ein kleines Jagdschloss gebaut, in dem er sich nach seinem Amoklauf verschanzte. Das herrschaftlich anmutende Anwesen wurde von Hunderten Polizisten umstellt, die später neben dem Leichnam des Vierfach-Mörders auch unzählige Waffen und Diebesgut fanden.
Alois Huber senior bricht erstmals sein Schweigen zu dem Fall: "Ich bin keiner, der die Polizei anschwärzt, aber es hätte niemand sterben müssen." Sein Sohn sei, als die Wilderei bereits in aller Munde war, mit einem Hirschkopf im Auto aufgehalten worden – "er blieb unbehelligt". Am Tag des Amoklaufs sei er von Polizisten abgeholt worden. "Niemand hat mich etwas gefragt, niemand hat mich informiert."
Alois Huber (86), Vater des Wilderers von Annaberg
Heute fürchtet der 86-Jährige, "dass ich von dem Hof vertrieben werde". Der Masseverwalter, der beide Objekte versteigern lässt, verneint dies auf Anfrage: "Die Eltern haben ein lebenslanges Wohnrecht und das wird auch nach dem Verkauf der Liegenschaft so sein." Der Mindestrentner beherzigt unterdessen einen Rat des Melker Pfarrers Leo Fürst: "Der hat zu mir gesagt: Alois, wenn du dich verkriechst, fällt dir die Decke auf den Kopf – also gehe ich jeden Montag Kartenspielen."
Das Anwesen des Todesschützen Alois Huber in Großpriel wird versteigert.
Der Amoklauf des Wilderers - Zeitleiste
(Klicken Sie an den rechten oder linken Bildrand um zwischen den Ereignissen zu wechseln)
Mehr als 100 Straftaten
In 20 Jahren verübte Alois Huber insgesamt 109 Straftaten, ehe er vor einem Jahr zum Amokläufer und Vierfach-Mörder wurde. Dabei richtete er einen Gesamtschaden von rund 9,8 Millionen Euro an.
Im Jahr 1993 hat die Staatsanwaltschaft St. Pölten den ersten Strafakt gegen einen „unbekannten Täter“ angelegt. Bei den Delikten, die Huber zugeordnet werden konnten, handelt es sich hauptsächlich um Wilderei, Einbrüche, Brandstiftung, Sachbeschädigungen sowie Motorräder-, Auto-, Lkw- und Kennzeichendiebstähle. Die Tatorte befinden sich vorwiegend in Niederösterreich, aber auch in der Steiermark, in Salzburg, Kärnten und Wien. Unter anderem soll der tote Wilderer 49 Einbrüche in Jagdhäuser, Jagdschlösser und ein Wildtiermuseum begangen haben. Mehrere Objekte steckte er auch in Brand.
Seine Beutestücke hat er in seinem Haus in Großpriel gehortet, wie etwa 29 gefrorene Rehbockhäupter, die er in einer Tiefkühltruhe aufbewahrte. Von den 305 Schusswaffen in seinem Haus waren 131 davon laut Exekutive auch „eindeutig Diebesgut“.