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Am 2. November: 80-Jahr-Gedenken an die Kinder von Etzelsdorf in Pichl

Von Valentin Bayer, 30. Oktober 2024, 16:47 Uhr
Am 2. November: 80-Jahr-Gedenken an die Kinder von Etzelsdorf in Pichl
Im Schloss Etzelsdorf wurden insgesamt rund 70 Säuglinge untergebracht. Bild: OON

PICHL/WELS. In dem "Fremdvölkischen Kinderheim" starben im Herbst 1944 mindestens 13 Kinder, die ihren zur Zwangsarbeit verpflichteten Müttern vom NS-Regime entrissen wurden.

Vor 22 Jahren habe ihm eine alte Frau erzählt, dass im Schloss Etzelsdorf in Pichl bei Wels "die Polenkinder" umgebracht worden seien, sagt Martin Kranzl-Greinecker: "Ich habe davon noch nie irgendetwas gehört, bin aber an der Sache drangeblieben." Der Journalist und Theologe, der mittlerweile auch Vorstandsmitglied des Mauthausen Komitees Österreich ist, hat schließlich die Geschichte des "Fremdvölkischen Kinderheims Schloss Etzelsdorf" aufgedeckt: Dieses richtete die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) im Sommer 1944 ein, um dort die Kinder von Zwangsarbeiterinnen vor allem slawischer Abstammung unterzubringen.

Bereits im Herbst 1944 starben mindestens 13 von 70 Säuglingen. "Die Kinder sind nicht nur an Nahrung verhungert, sondern auch an Zuwendung", sagt Kranzl-Greinecker. Am Samstag findet in Pichl eine Gedenkveranstaltung für die verstorbenen Kinder statt. Um 19 Uhr wird es einen Allerseelengottesdienst in der Pfarrkirche geben, um 20 Uhr findet der Gedenkakt beim Mahnmal für die "Kinder von Etzelsdorf" auf dem Friedhof statt. Gabriele Hofer-Stelzhammer, Präsidentin der Katholischen Aktion Oberösterreich, hält eine Rede.

Abtreibung oder Heim

Die Kinder von Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa wurden im NS-Regime bis zum siebten Schwangerschaftsmonat unter Zwang abgetrieben – obwohl Abtreibung ansonsten streng verboten war. "Im letzten Jahr vor Kriegsende gab es allein in der Gau-Frauenklinik in Linz rund 1000 solche Zwangsabtreibungen", sagt Kranzl-Greinecker.

Trotzdem kamen im Deutschen Reich rund 200.000 Kinder von Zwangsarbeiterinnen zur Welt – vielfach wurden sie bei Vergewaltigungen gezeugt. Ab 1943 wurden die Kinder in "Fremdvölkischen Kinderheimen" oder "Ausländerkinder-Pflegestätten" untergebracht – gegen Kriegsende gab es rund 300 im gesamten Reich. Mindestens 15.000 Kinder starben in diesen Einrichtungen – im Säuglings- oder Kleinkindalter.

Motive des Regimes sind unklar

Die erste "Pflegestätte" Oberösterreichs richteten die Nationalsozialisten 1943 in Spital am Pyhrn ein. Als dort der Platz zu knapp wurde und zahlreiche Kinder starben, wurden weitere im ganzen Gau eingerichtet – neben Etzelsdorf etwa auch in Schwanenstadt, Desselbrunn, Mauerkirchen und Schardenberg. "Nicht ganz klar ist, warum. Es gibt die Theorie, dass eine neue Generation Zwangsarbeiter herangezogen werden sollte – aber zu diesem Zeitpunkt war schon allen klar, dass Deutschland den Krieg verlieren wird", sagt Kranzl-Greinecker.

Die Heime wurden von Arierinnen geleitet, in der Pflege wurden auch Zwangsarbeiterinnen eingesetzt. "Zum Teil waren das auch die Mütter von dort untergebrachten Kindern. Diese hatten, ohne das zu werten, oft eine deutlich bessere Überlebenschance", sagt Kranzl-Greinecker.

Auch nach Kriegsende blieben die Kinder in dem Pichler Pflegeheim. Einige wurden abgeholt – ob tatsächlich von ihren Müttern, ist unklar. "Die Kinder waren ja in der Weltsicht der Nationalsozialisten nichts wert. Es ist also durchaus möglich, dass es zu Verwechslungen gekommen ist", sagt Kranzl-Greinecker. Viele Kinder wurden gar nicht abgeholt. "Weil die Eltern gestorben sind oder vielleicht auch, weil sie infolge sexueller Gewalt zur Welt gekommen sind", sagt Kranzl-Greinecker. 1946 wurden viele Kinder nach Osteuropa repatriiert, viele wurden von Adoptiveltern aufgenommen.

Mehrere neue Gedenkinitiativen

Bis heute seien die Fremdvölkischen Kinderheime ein wenig beachtetes Kapitel der Geschichte, sagt Kranzl-Greinecker: "Auch viele Historiker wissen nicht darüber Bescheid." Inzwischen gebe es in mehreren Orten, in denen sich Heime befunden hätten, Initiativen zur Aufarbeitung und für Gedenkarbeit. "Mittlerweile sind wir in Oberösterreich in den unterschiedlichen Gemeinden sehr gut vernetzt. Ich begleite das Thema seit mittlerweile 22 Jahren, weil es weiterhin zu wenig Beachtung findet", sagt Kranzl-Greinecker.

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Autor
Valentin Bayer
Redakteur Oberösterreich
Valentin Bayer
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2  Kommentare
2  Kommentare
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gabistaffel (133 Kommentare)
am 31.10.2024 15:40

Meine Oma musste während des 2. WK vor den Partisanen im ehem. Jugoslawien mit ihren Kindern nach Österreich flüchten, weil sie deutscher Abstammung waren. Hier waren sie aber genauso unerwünscht!?
Nun ist sie über 30 Jahre verstorben. Einmal hat sie sich eine Aussage zu unserer "kranken Gesellschaft" erlaubt: "Die Menschen bekriegen und töten sich leider immer wieder gegenseitig aus Gier, Macht und wegen Reichtum auf Gottes geschenkter Erde. Aber der Herr Gott wird das irgendwann nicht mehr akzeptieren und uns absetzen!" Wenn ich diesen Artikel lese, macht mir das Angst ...

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Goodnews (81 Kommentare)
am 31.10.2024 08:15

Eine traurige Nachricht! Was für eine menschenverachtende Ideologie, was für eine kranke Gesellschaft kann so mit Babys umgehen. Doch leider ist der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Die Menschen lernen nicht aus der Geschichte.

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