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Franz Brunner: Vom Leben im Schussfeld

10. November 2020, 11:47 Uhr
Coronakrise Pressekonferenz Regierung
v.l.: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) Bild: (REUTERS)

STEYR. Autor Franz Brunner wandert heute. Vom Steyrer Stadtplatz zu Rudi Anschober, weiter zu unsäglichen Zeitgenossen, die in Kirchen randalieren, bis hin zu Angela Merkel. Alles in Gedanken natürlich.

Vom Leben im Schussfeld
Jüngst stand ich im Mittelpunkt. Manche, die mich kennen, könnten einwerfen: Was will der Typ, was jammert er so? Er ist doch Lehrer, der sollte doch gewohnt sein, dass die Blicke auf ihn gerichtet sind. Bin ich natürlich, und ich jammere auch nicht, sondern ich genoss die Situation, um die's hier geht. Ich stand also da, erhobenen Hauptes in der Mitte des Steyrer Stadtplatzes und gab mich meiner Stimmungslage hin. Mit geschlossenen Augen verharrte ich reglos und ließ geschehen. Die Autos um mich waren mir gleichgültig, ich war durch eine Horde steinerner Krieger vor den Blechkarossen geschützt. Zwischendurch blinzelte ich, drehte mich langsam und betrachtete die historischen Fassaden um mich. Ich kam so richtig ins Schwärmen. Was für eine tolle Stadt, was für ein großartiges Land. Wenn da nicht...

Franz Brunner
Franz Brunner


Szenenwechsel. Rudi Anschober bei der täglichen Pressekonferenz, der gefühlt vierhundertsten. Er steht erhobenen Hauptes vor den Kameras, blinzelt und blickt um sich. Langsam drehen kann er sich jetzt nicht, das käme im Fernsehen ganz blöd rüber. Aber was kann der gerade genießen? Jeder will was wissen, fast jeder will ihm was anhaben. Nein, nicht dass Sie denken, ich beschütze ihn, ich sei vielleicht gar sein Fürsprecher. Der Anschober ist auf mein Wohlwollen nicht angewiesen, doch so schön wie ich hat er's momentan nicht.
Zurück nach Steyr. Es staut an den Stadteinfahrten, das Trinkwasser schmeckt nach Chlor und der Verlust vieler Arbeitsplätze steht im Raum. Die Stadtpolitiker haben derzeit gewiss Wichtigeres zu tun, als sich mit mir am Stadtplatz zu erfreuen, zudem würde ihnen das Gejammere rundum die Freude vermiesen. Ich vergönne ihnen aber zumindest ruhige Momente, um sich bei einem Blick aus dem Fenster an Steyrs Fassaden zu laben. Sowas tut einfach gut, denn auch sie sind in diesen Tagen nicht zu beneiden.
Es liegt einiges in der Luft zurzeit, viel Verunsicherung ist zu spüren. Und was machen wir? Wir schüren diese Verunsicherung. Warum muss Opposition eigentlich immer bedeuten, dass das, was der andere macht, von Haus aus schlecht ist? Ist es denn wirklich so abwegig, die Ideen und Bemühungen anderer anzuerkennen?

Menschen, die es gerade einmal schaffen, sich beim Schachtelwirt (für Nicht-Insider: der Mäci ist gemeint) für eine Sauce zur zähen Semmel zu entscheiden, kritisieren, kommentieren und beschimpfen unsere Entscheidungsträger aufs Gröbste. Nun, die sind ja einiges gewohnt, sonst wären sie nicht dort, wo sie heute sind. Die "da oben" haben schon eine dicke Haut, aber irgendwann ist Schluss mit lustig. Es fällt manchen Zeitgenossen offensichtlich leichter, ihre Katzen und Hunde mit Leckerlis, gar mit Liebe zu überhäufen, als den Mitmenschen den gebührenden Respekt für ihre Anstrengungen zu zollen. Zugegeben, unsere Volksvertreter haben sich in den letzten Legislaturperioden nicht mit Ruhm bekleckert, man mag die Namen schon gar nicht mehr hören und auf ihre Gesichter in den Medien könnte man liebend gerne verzichten. Immerhin haben wir eine funktionierende Justiz und genügend demokratische Mittel, um Änderungen herbeizuführen.
In ihrer kleinen, überschaubaren Welt machen manche, dem Anschein nach "brave" Bürger nichts anderes, als vor Kurzem in Wien passierte. Jugendliche randalieren in Kirchen, fernab jeglichen Respekts und jeglicher Achtung vor Weltanschauungen, die Grundregeln menschlichen Miteinanders missachtend. Der Friede beginnt in einem selbst. Den großen Weltfrieden einzufordern und im Kleinen unentwegt Giftpfeile zu verschießen, das passt nicht zusammen, das hat was von Scheinmoral.
Und dann gibt's da welche, die sich freiwillig in die Mitte stellen und sich beschießen lassen. Das ist ihr Job, meinen Sie? Das haben sie sich selbst ausgesucht, meinen Sie? Natürlich wurde keiner von denen zwangsbeglückt, so was geht nur in einer Monarchie. Der Prinz muss irgendwann nachrücken, doch Prinzen werden meist gefeiert, nicht beschossen. Ich weiß, es gibt Monarchen, Politiker, Manager und auch jede Menge Normalsterbliche, da wär's durchaus zu überlegen, ob man sie nicht zumindest mit faulen Eiern bewirft. Sparen wir uns doch die Giftpfeile und die faulen Eier, denken wir wieder einmal in Ruhe darüber nach, was Mensch sein bedeutet: Fehler machen, daraus lernen und gemeinsam daran wachsen. Es lohnt sich, wir schaffen das, miteinander und füreinander.

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