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Der vergessene Pionier des Mostviertels

Von Hannes Fehringer, 14. Oktober 2024, 19:24 Uhr
Johann Kirchweger
Bild: Kunerth

AMSTETTEN. Johann Kirchweger fand einen Goldschatz, wurde Großgrundbesitzer und ermöglichte den Bau der Nervenklinik Mauer. Zur Landesausstellung erscheint jetzt ein Buch über den vergessenen Pionier des Mostviertels.

Als die frühere Landtagsabgeordnete und jetzige Bürgermeisterin von Oed-Öhling Michaela Hinterholzer (VP) die Idee einer Landesausstellung in der Landesnervenklinik Mauer äußerte, klopften ihr nicht alle auf die Schulter, manche schüttelten nur den Kopf. "Wen sollte das wenig unterhaltsame Thema der Geschichte der Psychiatrie hier anlocken, lautete die Frage", erinnert sich Hinterholzer.

Dabei bietet die Geschichte der Nervenklinik, die nun tatsächlich in ihren Jugendstilbauten 2026 die NÖ. Landesausstellung beherbergen wird, genug Stoff, der für einen Hollywood-Film reichen würde. Da ist zuvorderst die Story des Selfmademans Johann Kirchweger, ohne den es nie die für die damalige Zeit modernste Nervenheilanstalt in ganz Europa gegeben hätte, die Kaiser Franz Joseph 1902 eröffnete. Der pensionierte Landesbaudirektor und Oed-Öhlinger Altbürgermeister Peter Kunerth (VP) widmet dem nahezu in Vergessenheit geratenen Mostviertler Pionier jetzt ein eigenes Buch.

Kirchweger, ein 1839 geborener Bauernsohn aus Strengberg, kam als Müllersbursch nach Öhling. Der junge Mann fand nicht nur darin sein Glück, dass er die Tochter des Müllers heiratete. Beim Abriss und Umbau des Öhlinger Meierhofes, den seine Gemahlin ebenfalls geerbt hatte, wurden drei Fässer mit Golddukaten und Silbermünzen entdeckt. Wahrscheinlich handelte es sich bei dem Zufallsfund um die Kriegskasse des Heeres von Kaiser Napoleon, das 1805 bei Boxhofen vor Amstetten eine verlustreiche Schlacht gegen die österreichisch-russische Koalitionsarmee gefochten hatte. Die Franzosen hatten offenbar Hals über Kopf fliehen müssen und den Schatz im Gehöft zurückgelassen.

Nicht nur mit dem Goldschatz im Rücken, sondern auch durch Geschäftstüchtigkeit stieg Kirchweger von einem armen Schlucker zum schwerreichen Gastwirt, Fabriksherrn und Großgrundbesitzer auf. Er war ein Mann von Welt: Als er mit seiner Gattin Josephine, die ein schlichtes Dirndlkleid trug und er einen billigen Anzug, den er dem Ruß der Lokomotive aussetzen konnte, mit der Westbahn nach Paris zur Weltausstellung fuhr, erkannte ihn der Schaffner nicht und wollte die vermeintlich armen Leute aus der ersten Klasse werfen. Kirchweger war darüber so empört, dass er auf der Stelle "den ganzen Zug kaufen" wollte.

Zuhause in Öhling ließ Kirchweger mit dem Riesenhaufen Geld, den er besaß, für sich eine zweite Brücke über die Url bauen, weil er bei der Überfahrt keine Maut mehr an den Bürgermeister Joseph Sengstbratl zahlen wollte, mit dem er verfeindet war. Andererseits galten die Kirchwegers als große Wohltäter, Josephine gab als Gastwirtin gratis an alle Schulkinder Rindsuppe aus und hatte als Fabriksbesitzergattin mehr als 200 Patenkinder in Obhut. Den größten Meilenstein für das Mostviertel setzte Kirchweger, der in der Politik für die Liberalen keine einzige Wahl gewann, als Jagdfreund des späteren Wiener Bürgermeisters Karl Lueger mit der Gründung der "Kaiser Franz Joseph Landes-Heil- und Pflegeanstalt" in Mauer. Gegen Widerstände in der Bevölkerung bot er dem NÖ. Landtag 20 Joch Grund in der Forstheide bei Mauer als Schenkung an. Bevor der Zuschlag erteilt wurde, wurde im Landtag wild debattiert. Kirchweger wurde im Zuge des damals schon vorherrschenden Antisemitismus von seinen Widersachern als "Jude" beschimpft, der für die Großbaustelle der Klinik ja nur die Ziegel aus seiner Fabrik verkaufen wolle. Weder war Kirchweger Jude, noch will ihm Kunerth absprechen, dass "Menschenliebe für psychisch Kranke und eine fortschrittliche Gesinnung für ihn jedenfalls auch Motivation" gewesen seien. Die Steine für Carlo von Boogs legendäre Jugendstilbauten der Klinik wurden dann jedenfalls aus Kirchwegers Ziegeleien angekarrt.

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Autor
Hannes Fehringer
Lokalredakteur Steyr
Hannes Fehringer
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2  Kommentare
2  Kommentare
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Joob (1.540 Kommentare)
am 17.10.2024 09:50

Die Frau Bürgermeister Hinterholzer wird oft zu Unrecht kritisiert ! Ich finde sie ist eine sehr aktive Frau, aber, man kann es halt nicht einen jedem recht machen !
Wie halt in Österreich üblich, sind die -oft ungerechtfertigten- Kritiker lauter als die Zustimmung.

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watchmylips (1.072 Kommentare)
am 15.10.2024 16:13

Nette Story, aber für Hollywood eindeutig zu wenig. Wie ist das Ende? Landet Kirchweger mit/ohne seiner Josephine am Ende selbst in der Klapsmühle ? Oder Sengsbratl? Oder alle drei zusammen?

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