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"Impfskepsis hat in Österreich Tradition"

Von Renate Stockinger, 08. April 2024, 00:04 Uhr
"Impfskepsis hat in Österreich Tradition"
Bild: VOLKER WEIHBOLD

LINZ/WIEN. Österreich gilt neben Deutschland und der Schweiz als Land der Impfskeptiker. Das ist kein neues Phänomen, sondern hat Tradition – schon seit Freiheitskämpfer Andreas Hofer, sagt Daniela Angetter-Pfeiffer. Sie ist Historikerin und Literaturwissenschaftlerin und unter anderem als Medizinhistorikerin bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien tätig.

OÖN: Die Masernimpfung wurde ja schon ab den frühen 1960er-Jahren in den USA und dann bald weltweit eingesetzt, Masern waren in Europa bereits fast ausgerottet. Wann hat es umgeschlagen – und warum?

Daniela Angetter-Pfeiffer: Wenn man sich erinnert: In den 70er- und 80er-Jahren wurde in Schulen sehr häufig gegen Masern geimpft. Die Eltern mussten sich nicht selbst darum kümmern, sie mussten nur zustimmen. Auch im Mutter-Kind-Pass war die Impfung empfohlen. Durch dieses rigorose Impfen war die Krankheit quasi verschwunden – auch aus dem kollektiven Gedächtnis. Darum haben viele ihre Kinder oder auch sich selbst nicht mehr impfen lassen. Das Virus war aber nicht ausgestorben, es grassiert weltweit. Heute steigt man in ein Flugzeug und reist in ferne Länder – so wird auch das Virus wieder verteilt. Es reist gerne. Auf diese Weise treten Krankheiten, die bei uns fast ausgerottet waren, wieder auf. Weil inzwischen die Immunität fehlt.

Es heißt, die Impfskepsis ist in Österreich beziehungsweise im deutschsprachigen Raum besonders ausgeprägt. Warum?

Seit es Impfungen gibt, gibt es Impfgegner – nicht nur in Österreich. Aber man kann sagen, Impfskepsis hat in Österreich Tradition. Als die Pockenimpfung um 1800 eingeführt wurde, hat etwa Andreas Hofer gesagt, man würde sich damit den Protestantismus einimpfen – und das im heiligen Land Tirol! Und Immanuel Kant meinte, es würden einem nach der Pockenimpfung Hörner und Kuheuter wachsen. Dazu gab es seinerzeit sogar Bilder, die das ganz drastisch darstellten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bildete sich eine Gegenbewegung zur fortschreitenden Industrialisierung aus – Anhänger der Naturheilkunde, Vegetarier und Gegner von Tierversuchen. Diese Bewegung war in Österreich, Deutschland und der Schweiz besonders stark. Die Menschen waren damals auch noch nicht so aufgeklärt. Die Impfung war neu, das machte Angst. Wenn dann Prominente wie Hofer oder Kant polemisierten, traf das auf eine große Zuhörerschaft. Es gab sogar eine eigene Zeitschrift der Impfgegner. Und eine Riesenversammlung von Impfbefürwortern und -gegnern 1907 im Wiener Rathaus gipfelte in einer Schlägerei. Da flogen die Stühle. Und dann kam der Nationalsozialismus, der sich gerne gegen Errungenschaften der Wiener Medizin stellte, weil es dort viele jüdische Ärzte gab. Da mussten sich die Nationalsozialisten dagegenstellen, sie brauchten eine judenreine Medizin. Deshalb machten sie sich stark für die Naturmedizin.

Was sind die Gründe für Impfskepsis?

Ein Thema ist, dass eine Impfung nicht sofort hilft wie eine Kopfwehtablette, sondern eine Maßnahme für die Zukunft ist. Bei vielen ist es auch Misstrauen gegenüber Eliten oder Experten und Kritik an Pharmaunternehmen. Und die sozialen Medien tragen das ihre dazu bei – negative Kommentare fallen stärker auf als positive. Früher spielte auch die Religion eine größere Rolle: Die Impfung wurde von manchen als ein Eingriff in den Körper und damit als nicht gottgewollt gesehen. Der Glaube war: Krankheit ist eine Strafe Gottes, und wenn man krank ist, dann soll man einen anderen Lebensweg bestreiten.

An welcher Stelle liegt Österreich im Vergleich zu anderen Ländern in Sachen Impfskepsis?

Eine Umfrage der Europäischen Kommission zu Vertrauen in Impfungen hat ergeben, dass Österreich in der Gruppe der Allgemeinbevölkerung auf Platz 19 von 27 landet. Was aber viel auffälliger ist: Nur etwa drei Viertel des Gesundheitspersonals sind überzeugt, dass Impfungen wichtig, sicher und effektiv sind.

Innerhalb von Österreich: Wer ist am skeptischsten Impfungen gegenüber? Gibt es Regionen oder Teile der Gesellschaft, in denen die Skepsis besonders hoch ist?

Interessanterweise kommen die Skeptiker eher aus den intellektuellen und den höheren Bildungsschichten. Und, wie die Befragungen ergeben, aus dem Gesundheitsbereich. Studien zu Hintergründen gibt es nicht. Aber beim Gesundheitspersonal kann ich mir vorstellen, dass es natürlich mehr Hintergrundinformation hat über mögliche Nebenwirkungen. Jeder Mensch, der einen allergischen Schock erleidet, ist einer zu viel. Allerdings ist es im Vergleich zum Nutzen ein geringer Prozentsatz, das muss man bedenken. Es ist vielleicht vergleichbar mit Kopfschmerztabletten, zu denen wir selbstverständlich greifen: Wenn Sie sich die Packungsbeilage durchlesen, nehmen Sie die vermutlich nicht mehr.

Hat die Impfskepsis mit Covid noch einmal zugelegt?

Die Skepsis ist durch Covid sicher gestiegen. In den Jahren davor hat es die Thematik kaum gegeben. Wenn, dann nur punktuell, aber dass das Thema so lange und so breit diskutiert wird, nicht. Die Impfskepsis ist durch Covid wieder ins Bewusstsein gerückt. Ich glaube auch, dass die Regierung hier ungeschickt gehandelt hat. Viele haben sich mit der Impfung Freiheit erkauft, um ins Theater gehen zu können oder um keine Probleme am Arbeitsplatz zu bekommen. Aber freiwillig war es nicht. Ich glaube, wenn man etwas zum Zwang macht, ist eine Gegnerschaft im Bauchgefühl vorhanden. Wenn man mehr aufgeklärt hätte, es weniger zum politischen und mehr zum gesellschaftspolitischen Thema gemacht hätte, wäre das besser gewesen.

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Autorin
Renate Stockinger
Redakteurin nachrichten.at

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