Mysteriöse Giftgas-Kartusche „definitiv kein Kriegsrelikt“, sagt JKU-Chemiker
GMUNDEN/LINZ. Jene mutmaßliche Giftgas-Kartusche, die am Freitag in einem Entsorgungsunternehmen in der Nähe von Gmunden gefunden und zur Polizei gebracht worden ist, dürfte aus Altbeständen der Kunststoffindustrie stammen, vermutet ein Experte.
Am Freitag hat ein Mitarbeiter einer Entsorgungsfirma in der Nähe von Gmunden auf dem Betriebsareal eine verdächtige Gaskartusche mit der Aufschrift „Phosgen“ entdeckt. Der Gegenstand wurde in einem Plastikbehälter verpackt zur Polizeiinspektion Gmunden gebracht. Als die Beamten „Phosgen“ googelten, herrschte helle Aufregung. Denn das Gas ist hochgiftig. Beim Einatmen reagiert das es mit Wasser und so entsteht Salzsäure, das die Lunge verätzt, ein qualvoller Tod ist die Folge. Im Ersten Weltkrieg kam der Stoff auch als Giftgas zum Einsatz.
Wie berichtet wurden die Gmundner Polizei sowie die umliegenden Gebäude aus Sicherheitsgründen evakuiert und ABC-Experten des Bundesheeres zu Hilfe geholt. Die Kartusche wurde in die Tabsch-Kaserne in Korneuburg gebracht zur Untersuchung. Dort werde geprüft, ob es sich um das gefürchtete Phosgen-Gas handle, sagte ein Sprecher. Am Montagvormittag lag noch kein Ergebnis vor.
Bei der mutmaßlichen Giftgas-Kartusche handle es sich jedenfalls nicht um ein Kriegsrelikt, sagt Universitätsprofessor Oliver Brüggemann vom Fachbereich Chemie und Kunststofftechnik der Johannes Kepler Universität nach der Sichtung eines Fotos, das das Bundesheer von der gefundenen Kartusche gemacht hat.
Man könne das eingravierte Logo der Schweizer Firma Fluka erkennen, diese sei im Jahr 1989 aber von Sigma-Aldrich übernommen worden. „Aber das alte Label war noch jahrelang später im Einsatz“, sagt Brüggemann. Phosgen sei ein wichtiger Baustein für Kunststoffprodukte wie etwa Brillengläsern, DVDs, Blu-ray Discs, Scheiben in Autos (Scheinwerfer, Panoramadach) und Flugzeugen.
Allerdings werden diese Kunststoffprodukte mittlerweile phosgenfrei mittels anderer Verfahren hergestellt, so der Experte. „Meines Wissens kommt Phosgen in der österreichischen Industrie nicht mehr zum Einsatz.“ Brüggemann vermutet, dass es sich um Altbestände eines Unternehmens handelt, die entsorgt worden sind.
Beim Verkäufer des Produktes müsse registriert worden sein, wer der Käufer war. Das sei gesetzlich vorgeschrieben. Wie lange diese Dokumente aufzubewahren sind, könne er als Chemiker aber nicht sagen, sagt Brüggemann. Eventuell könne man in den Gravuren der Kartusche noch die Chargennummer erkennen. „Wenn die Flasche noch gefüllt war, dann war das wirklich ein schlimmer Vorfall. Das ist keine Allerwelts-Chemikalie. Jeder, der mit dem Gas in Berührung kommt, ist in Lebensgefahr“, warnt der Experte.
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