Innviertler arbeitet in den USA: "Corona wurde völlig unterschätzt"
RIED/ATLANTA. Markus Gerschberger arbeitet an der renommierten Hochschule "Georgia Tech" in Atlanta.
Im Zuge einer langjährigen Forschungskooperation mit der renommierten amerikanischen Technischen Hochschule Georgia (Georgia Tech) verbringt Markus Gerschberger vom Logistikum der FH Oberösterreich derzeit sein wissenschaftliches Sabbatical teilweise vor Ort in Atlanta. Das gemeinsame Forschungsinteresse zum Thema "Echtzeitvisualisierung von Liefernetzwerken" habe in der Corona-Krise nochmals an Bedeutung gewonnen, sagt der 37-Jährige aus Neuhofen im Innkreis. Im OÖN-Interview spricht der Innviertler über "Corona-Alltag" in den USA. Dienstagabend waren in den USA bereits rund 175.000 getestete Personen mit dem Virus infiziert.
OÖN: Wie geht es Ihnen?
Markus Gerschberger: Danke, mir persönlich geht es gut. Ich bin seit Mitte Februar wieder in Atlanta. Seit Montag wird an allen Universitäten in Georgia online unterrichtet. In der täglichen Arbeit hat sich für mich spät, aber doch, vieles verändert. Die geschäftlichen Meetings finden ausschließlich online statt. Mein Appartement verlasse ich jetzt eigentlich nur noch zum Laufen oder Einkaufen. Angst habe ich nicht, wobei man die Gefahren des Virus nicht unterschätzen darf. Nach intensiver Rücksprache mit der Georgia Tech habe ich mich dazu entschlossen, hierzubleiben. Ich habe sehr kompetente Ansprechpartner vor Ort und bin hier gut aufgehoben.
Was ist Ihre Aufgabe bei dieser Forschungskooperation mit der Georgia Tech?
Im Zuge der Forschungskooperation visualisieren und analysieren wir große Liefernetzwerke wie zum Beispiel von Automobilproduzenten. Nach Möglichkeit von den Rohstofflieferanten über alle Produktionsstufen bis hin zu seinen Händlerstandorten. Diese Netzwerke bestehen häufig aus mehr als 10.000 Unternehmen und den Verflechtungen zwischen diesen. Unsere Motivation ist es, systemische Risiken zu identifizieren, um frühzeitig mögliche Krisen wie Versorgungsengpässe bei einzelnen Materialien zu erkennen. Das ist auch der Inhalt meines Ressel-Forschungszentrums in Österreich. Dieses Thema ist natürlich in Covid-Zeiten besonders spannend, jeder Österreicher durfte ja Versorgungsengpässe persönlich erleben. Auch wenn diese in der aktuellen Situation durch künstliche und unnatürliche Nachfrage (= Hamsterkäufe) verursacht und vollkommen überflüssig waren. Hier werden unsere Forschungsergebnisse nun in Echtzeitanalysen auf den Lebensmitteleinzelhandel übertragen, um tatsächliche systemische Risiken – nicht lokale und kurzfristige Versorgungsthemen – frühzeitig erkennen zu können.
Wie ist die Situation in Atlanta?
Auch hier sind die Zahlen der Corona-Kranken in den vergangenen Tagen explosiv nach oben gegangen. Ich wohne außerhalb von Atlanta, hier ist es noch relativ ruhig. Hotels haben noch offen, Restaurants bieten Essen zum Mitnehmen an, auch am Strand sind noch viele Menschen unterwegs, lediglich der Parkplatz vor dem Strand wurde gesperrt, das hindert aber kaum jemanden. In Atlanta selber ist auf den Straßen deutlich weniger los. Der Park in Atlanta ist aber noch immer gut gefüllt, zumindest ist es in den vergangenen Tagen etwas weniger geworden. So etwas wie ein Sicherheitsabstand zwischen Menschen ist aber noch nicht zu sehen. Dass die Wirtschaft ähnlich wie in Österreich runtergefahren wird, glaube ich nicht. Die Hamsterkäufe haben hingegen schon vor etwa drei Wochen begonnen. Klopapier gibt es hier kaum noch, der Kauf von Wasser wurde in einigen Supermärkten auf drei Gallonen (eine Gallone sind rund 3,8 Liter, Anm. d. Red.) pro Person und Einkauf rationiert.
Wie haben Sie den Umgang mit Corona in den USA in den vergangenen Wochen erlebt?
Am Anfang wurde es völlig unterschätzt, hier war "Spring Break", die Studenten haben gefeiert. Die Kommunikation der Regierung war auch völlig anders als in Österreich. Am Anfang wurde nur sehr wenig darüber gesprochen und der Eindruck vermittelt, dass das alles im Handumdrehen gelöst wird. Lange wurde nur sehr wenig getestet und die Lage sehr verharmlost dargestellt. Das Gesundheitssystem in den USA kann man nicht mit dem in Österreich vergleichen. Millionen von Menschen haben keine Krankenversicherung. Diese werden eher nicht wegen grippeähnlicher Symptome zum Arzt gehen. Die Kurve der Infizierten ist in den vergangenen Tagen extrem nach oben geschnellt. Der Verlauf ist dramatischer als zu Beginn in Italien oder China, dazu kommt wohl noch eine sehr hohe Dunkelziffer.
Wie verfolgen Sie die Lage in Österreich?
Ich informiere mich vor allem bei den Oberösterreichischen Nachrichten und dem ORF über die aktuelle Situation. Selbstverständlich habe ich viel Kontakt zu meinen Eltern und appelliere an sie, daheimzubleiben. Daran halten sie sich auch.
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