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"Braunau spielt im Holocaust Museum kaum Rolle"

Von Valentina Dirmaier, 22. August 2014, 00:04 Uhr
"Braunau spielt im Holocaust Museum kaum Rolle"
Georg Stöllinger mit Museumsdirektorin Samara Hutman vor dem Tree of Testimony mit 70 Bildschirmen, auf denen Interviews mit Zeitzeugen gezeigt werden. Bild: privat

PISCHELSDORF/LOS ANGELES. Georg Stöllinger im OÖN-Interview – Der junge Innviertler leistete einen Wehrersatzdienst in Los Angeles (USA).

Das "Jahr seines Lebens" verbrachte Georg Stöllinger aus Pischelsdorf als Gedenkdiener in der amerikanischen Metropole Los Angeles. Wie es dem 22-Jährigen in der Stadt der Engel erging, schildert er im OÖN-Interview.

OÖN: Sie waren von August 2013 bis Ende Juli 2014 als Gedenkdiener im ,Los Angeles Museum of the Holocaust’ als Gedenkdiener tätig. Wie kommt man dazu und was kann man sich darunter vorstellen?

Georg Stöllinger: Anfangs war der Gedanke, ein Jahr im Ausland zu verbringen. Durch Zufall bin ich auf den österreichischen Auslandsdienst gestoßen. Dann hab’ ich den Verein kontaktiert und an einem Infotreffen teilgenommen. Ich war auf Anhieb von der Idee begeistert. Der Verein besteht aus Mitgliedern, die selbst ins Ausland gehen, jeder bringt sich ein. Schon bevor ich ins Ausland ging, habe ich einiges erlebt.

Was zum Beispiel?

Aufgrund meiner technisch fokussierten Ausbildung an der HTL Braunau hatte ich mich kaum mit Geschichte befasst. Ein Defizit. Aber während meiner zweijährigen Vorbereitungsphase auf den Gedenkdienst konnte ich dieses überwinden. Besonders prägend war die Teilnahme an der Befreiungsfeier des Konzentrationslagers Auschwitz, an der ich 2012 teilnahm. Oder die 3. internationale Hartheim-Konferenz.

Wäre ein Dienst beim Heer oder bei der Rettung nicht in Frage gekommen?

Also, das Heer wäre nichts für mich gewesen, weil ich früher relativ unsportlich war und ich wollte keine Liegestütze im Gatsch machen oder mir dumme Sachen anschaffen lassen. Eine weitere Option wäre schon der Rettungsdienst gewesen, aber ich wollte nach Übersee.

Welche Aufgaben mussten Sie im Museum erledigen?

Ich war in etlichen Bereichen eingeteilt. Anfangs habe ich in der Bibliothek Werke katalogisiert und Briefe, die in Deutsch geschrieben waren, übersetzt und anschließend archiviert. Die stammen überwiegend von jüdischen Familien, die in Ghettos lebten. Anfang Oktober 2013 hab’ ich mit einem Dozententraining begonnen. Neben vielen geschichtlichen Fakten erhält man auch eine psychologische Ausbildung, wie man mit der Geschichte und den Betroffenen umgeht. Die Betreuung der Holocaust-Überlebenden und deren Erzählungen haben mir gezeigt, dass neben den geschichtlichen Fakten so viel mehr dahinter steckt.

Ihr schönster Moment, Ihre schönsten Begegnungen?

Es sind wahnsinnig viele schöne Momente dabei gewesen. Ich hab’ mit vielen Holocaust-Überlebenden zusammengearbeitet. Viele waren positiv überrascht, dass in Österreich so ein Programm angeboten wird. Ich finde, der Gedenkdienst ist ein Gewinn für alle. Zum einen für das Museum, dem eine Arbeitskraft für ein Jahr zur Verfügung gestellt wird, dann für die Person selbst, und zum anderen steigert der Gedenkdienst das Ansehen Österreichs im Ausland.

Apropos Ansehen. Wie war es für Sie, Ihre Herkunft mit Ihrer Tätigkeit zu vereinbaren?

Es war nicht immer allzu leicht. Die Mitarbeiter wussten, dass ich aus Braunau bin. Besuchern gegenüber war ich schon vorsichtiger. Aber in Amerika und im Museum spielt Braunau nicht die große Rolle und wird nur ein oder zwei Mal in Ausstellungen erwähnt.

Sind Sie im Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus sensibler geworden?

Man macht sich definitiv schon mehr Gedanken, achtet darauf, was andere Leute sagen.

Anders gefragt: Wie geht es Ihnen, wenn Sie Berichte über NS-Wiederbetätigung und Leuten aus Ihrer Heimat, die Adolf Hitlers Gedankengut weiterhin verbreiten wollen, lesen?

Das gibt mir zu denken. Fremdenhass richtet sich heute bei uns nicht mehr gegen die Juden, sondern gegen alle möglichen Einwanderer. Viele schließen sich Gruppen an, werden zu Mitläufern, aber haben überhaupt keine Ahnung, worum es im Nationalsozialismus eigentlich geht. Schlimm ist, dass jetzt wieder eine Hetze gegen die Juden wegen des Konflikts in Israel und Palästina läuft. Es wird auf alten Klischees aufgebaut.

Wie beurteilen Sie den Gaza-Konflikt?

Ich tu mich schwer, die Auseinandersetzungen einzuschätzen. Aber ich gehe davon aus, dass sich der Konflikt noch lange weiterzieht, denn weder Israelis noch Palästinenser wollen klein beigeben. Eine friedliche Lösung ist Wunschdenken. Viele meiner Kollegen im Museum waren jüdisch, die haben einen anderen Bezug dazu. Einige wollten nach Israel zurück. In L.A. hat es neben meiner Wohnung Aufstände geben. Da sieht man, wie schnell es zu Auseinandersetzungen kommt und antisemitisches Gedankengut verbreitet wird. Man glaubt, dass nach dem Zweiten Weltkrieg alle aufgeklärt seien und jeder weiß wie dunkel dieses Kapitel unserer Geschichte ist.

Themenwechsel. Wie haben Sie Ihre freie Zeit, abseits des Gedenkdienstes, an der US-amerikanischen Westküste verbracht?

Ich hab’ versucht, möglichst viel von Kalifornien zu sehen. In der ersten Woche bin ich gleich nach San Francisco und später nach San Diego und New York. Ich hab’ viele Leute kennengelernt und am amerikanischen Leben teilgenommen.

Was hat Ihnen von Zuhause gefehlt?

Das abwechslungsreiche Wetter und die Landschaft. Jeder glaubt, es ist so toll, wenn die Sonne immer scheint. Aber nach Monaten ist mir das Wetter auf die Nerven gegangen, weil es jeden Tag gleich war. Der Regen hat mir gefehlt. Und in den ersten Monaten auch das Umfeld, aber nach einem halben Jahr habe ich mich richtig wohl gefühlt. Ich will definitiv nächstes Jahr wieder nach L.A. und bin am überlegen, ob ich noch einmal ein Praktikum dort mache. Ich mag die Amerikaner und ihre offene Art.

Und Ihre Art? Haben Sie sich während dem Auslandsjahr verändert?

Ich habe vom Gedenkdienst enorm profitiert, bin in vielerlei Hinsicht gelassener und abenteuerlustiger geworden. Bisher bin ich nicht viel herumgekommen, doch jetzt will ich die Welt erkunden. Mich hat das Reisefieber gepackt.

Wie geht es nach dem aufregenden Jahr für Sie weiter?

Ich beginne im Herbst in München mit dem Kombinationsstudium Wirtschaftsingenieurwesen. Meine Interessen sind wahnsinnig breit gefächert.

 

Gedenkdienst

In Österreich kann statt dem Wehrdienst auch ein zwölfmonatiger Gedenkdienst, zumeist in Holocaust-Gedenkstätten im Ausland, absolviert werden. Dieser spezielle Zivildienst wird vom Bundesministerium für Inneres finanziell unterstützt. Auch Frauen können
einen Gedenkdienst leisten.
Einen wesentlichen Beitrag zur Etablierung des Gedenkdienstes leistete Andreas Maislinger, der früher auch die Braunauer Zeitgeschichte-Tage leitete.
Weitere Informationen: www.auslandsdienst.at oder www.gedenkdienst.at

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