Wer geht nicht gerne Zwergerlschnäuzen?

Eigentlich reißt sich ja niemand darum, jemand anderen zu schnäuzen. Aber bei den Zwergerln ist das etwas anderes, denn das bedeutet einen Besuch in der Linzer Grottenbahn und damit eines Ortes, der an viele gute Geister erinnert …
Mit dem Charme des Nostalgischen wird da eine Welt jenseits der alltäglichen Wirklichkeit lebendig. Der Turm einer alten Wehranlage öffnet sich zu einer geheimnisvollen Welt. Hier leben Märchen auf und deuten an, was in der Fülle des Lebens noch alles möglich ist. Im Bauch des Drachens geht es in ein unterirdisches Reich. Da funkeln Edelsteine, Kristalle und andere Schätze, wohlbehütet von Zwergen!
Eines vorweg: Wer in der Grottenbahn in den vollen Genuss kommen will, tut gut daran, das rationale Denken schon beim Eingang an der Kasse abzugeben. Hier darf die Fantasie ohne erkennbaren Sinn und Zweck aufblühen. Denn, so wichtig und so hilfreich ein klarer Verstand sein kann: Allzu oft ist er dem Erfindungsreichtum im Wege. Hilfreiche Geister sind hingegen als Quelle der Inspiration immer willkommen. Und so geht es nach dem Auftakt im Reich der Zwerge ein Stockwerk tiefer auf den Stadtplatz von Linz. Der schaut im Nachbau aus, wie er nie war, und in der Fantasie vieler doch genauso lebt. Wer wurde als Kind hier nicht zum Würstelmann geschickt um ein Paar Würstel? So lebensnah echt, wie die da über dem Kessel baumeln, hat man gleich den Duft frisch gekochter Frankfurter in der Nase. Damit ist zwar nicht der Bauch, aber immerhin die Nase voll, und das ausnahmsweise im besten Sinn.

Grimm vs. Disney
Getragen von diesem Wohlgefühl, führt der Weg zu Schau-Plätzen Grimm’scher Märchen: Hänsel und Gretel, Frau Holle, Dornröschen, Schneewittchen und die sieben Zwerge. Sie alle und noch viele mehr stehen, sitzen und liegen da, als wären sie vom Zeitgeist gebannt und versteinert worden. Gerade aber, weil sich nichts rührt, belebt ihre lebensgroße Erscheinung die Fantasie umso mehr. Wie ist das denn wirklich mit der Frau Holle und dem Schnee? Weshalb muss das Dornröschen so lange schlafen? Warum sind denn die Zwerge beim Schneewittchen so verzweifelt? In Stichwörtern sind diese Ikonen abendländischer Märchen-Kultur vielleicht noch bekannt. Aber wie die Geschichte genau geht – das muss schon nachgelesen werden. Die Kinder kennen eher die Fassung von Disney als das Grimm’sche Original. Und so stehen in der Grottenbahn die Kurzfassungen der Märchen auf Deutsch genauso zu lesen wie in Englisch. Das holt die Eltern beim Erzählen der Geschichte wieder herunter vom Glatteis.

Und wie ist das mit dem Zwergerlschnäuzen jetzt wirklich? Rien Poortvliet liefert in seinem umfassenden Werk "Das große Buch der Heinzelmännchen – die ganze Wahrheit über Herkunft, Leben und Wirken des Zwergenvolkes" einen wesentlichen Hinweis: "Genau wie die Tiere ,sieht‘ auch das Heinzelmännchen einen Großteil der Welt durch die Nase." Während der Mensch rund fünf Millionen Riechzellen hat, sind es bei Zwergen rund 95 Millionen. Weiters führt Poortvliet aus: "Eine gute Nase kann eine unbeschränkte Anzahl Düfte wahrnehmen, und zwar von sämtlichen Lebewesen, die es auf Erden gibt." Ein Nasenkatarrh reduziert bei einem Zwerg die Wahrnehmung der Welt also auf das Niveau einen zugestöpselten Handynutzers. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit in der Grottenbahn – 65 Prozent sind ein guter Schnitt – ist das Zwergerlschnäuzen deshalb ein wirklich angebrachter Akt der Fürsorge.
Mag sein, dass sich jetzt manche fragen: Zwerge? Wovon schreibt dieser Mensch eigentlich?
"Nichts steht … grundsätzlich der Annahme entgegen, dass es Zwerge tatsächlich gegeben hat", stellt eine Arbeitsgruppe der österreichischen Ministerialbürokratie in Jörg Mauthes Schlüsselroman "Die große Hitze" fest. Und weiter: "Für sie sprechen unzählige bis in unsere Tage hinein vorgebrachte Augenzeugenberichte, dagegen nichts als ein Vorurteil, demzufolge alle jene Zeugen Opfer eines Aberglaubens, Lügner oder Phantasten gewesen seien. Und schließlich sehen wir keinen fundamentalen Widerspruch zu der theoretischen Annahme, dass, da es offenbar Jahrtausende hindurch an Zwergen nicht gemangelt hat, solche auch heute noch vorhanden sind und lediglich nicht in Erscheinung treten."
In der Grottenbahn treten sie in Erscheinung. Wer sie dort sieht, nimmt ihren Zauber vielleicht auch im Alltag wahr. Schau’ ma …
Die Geschichte der Grottenbahn
Wie alles begann …
- 1898: Am 29. Mai 1898 unternahm die Bergbahn ihre erste Fahrt auf den Pöstlingberg.
- 1906: Am 6. Mai 1906 drehte die Grottenbahn in einem Turm der maximilianischen Befestigungsanlage ihre ersten Runden – die letzte bei Dunkelheit, mit dem erleuchteten Schild „Küssen verboten“.

- 1948: 1945 durch Bomben zerstört, fuhr die nach Plänen der Linzer Keramikerin und Bildhauerin Friederike Stolz neugestaltete Bahn ab 1948 durchs Zwergenreich, seit 1950 zeigen sich im Untergeschoß der Hauptplatz um 1900 und in den Seitengassen 16 Märchengruppen.
- 2017: Das besucherstärkste Jahr: In der Grottenbahn mit 963 Glühbirnen, 1213 Eiszapfen und 65 Zwergen wurden 151.948 Gäste gezählt, darunter 86.107 Kinder.