Mord an Kim-Bruder: Angeklagte plötzlich frei
Malaysia: Justiz schweigt über den Grund.
KUALA LUMPUR. Am Morgen wurde Siti Aisyah (27) noch wie eine Schwerverbrecherin ins Gericht geführt: Ihr drohte die Todesstrafe. Keine Stunde später verließ die Indonesierin das Justizgebäude nahe Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur als freie Frau. Der Prozess wegen des Giftmords am Halbbruder von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un, Kim Jong-nam, nahm gestern eine völlig unerwartete Wendung. Statt mit dem Verhör der Angeklagten – neben Aisyah die Vietnamesin Doan Thi Huong (30) – zu beginnen, ließ das Gericht die Anklage gegen die Indonesierin fallen.
Über die Gründe schwieg sich die Justiz aus. Ebenso wie über die Frage, was nun mit der zweiten Angeklagten passiert. Falls das Verfahren gegen die Vietnamesin ebenfalls eingestellt wird, bliebe einer der spektakulärsten politischen Morde der vergangenen Jahre möglicherweise auf ewig ungesühnt.
Rückblende, 13. Februar 2017: Auf dem Flughafen von Kuala Lumpur reiben zwei Frauen einem Mann etwas ins Gesicht. Zwei Stunden später ist er tot. Schnell stellt sich heraus, dass es sich bei dem Opfer um Kim Jong-nam handelt, den ältesten Sohn von Nordkoreas verstorbenem Machthaber Kim Jong-il (1941–2011). Schnell wird ermittelt, womit er getötet wurde: mit dem Nervengift VX. Noch in derselben Woche werden die Frauen verhaftet, überführt durch die Aufnahmen von Überwachungskameras. Sie behaupten, nicht gewusst zu haben, was sie taten.