Das Vertrauen in die Kunst
Das war 2016 – der OÖN-Jahresrückblick: Neuer Landestheater-Intendant, alter ORF-General und zwei freie Kulturjobs - das war das Kulturjahr 2016.
- Neuer Landestheater-Intendant, alter ORF-General und zwei freie Kulturjobs
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Der große OÖN-Jahresrückblick - das war das Kulturjahr 2016
Analyse: Das Vertrauen in die Kunst
Im „Vorspiel auf dem Theater“ zu Goethes Faust sagt der Direktor zum Theaterdichter: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.“ Auf diese Formel, die alle Türen zur Beliebigkeit aufsprengt und der Dichter bei Goethe selbstredend nicht hinnehmen kann, wollte sich auch Hermann Schneider nicht verständigen. Mit September trat der 54-Jährige den schwierigsten Kultur-Job Oberösterreichs an. Als neuer Intendant und Nachfolger von Rainer Mennicken sollte er in den Landestheater-Koloss samt Linzer Musiktheater, das seit seiner Eröffnung 2013 drei Jahre lang auf einer Welle der Begeisterung für das Neue segelte, künstlerische Konturen ritzen.
Schneider hatte die Frage zu beantworten, wofür das Landestheater steht. Mit der „Falstaff“-Eröffnungsproduktion entschied er sich für keine Verdi-Oper voller Hadern und Mitsing-Arien, sondern für ein Kunstwerk, dessen Regie offenließ, wer denn hier der Narr sei: der ob seiner Statur und seiner hormonellen Überausstattung diskriminierte Außenseiter – oder wir alle?
Die künstlerische Grätsche
Nicht die bloß auf volle Häuser starrende „Pfuscherei“ – wie Goethes Theaterdichter dem Direktor antwortet – ist Schneiders Maxime. Vielmehr versucht er die große Grätsche zwischen Anspruch und populärer Theatereinladung (wie mit der Operette „Im Weißen Rössl“), ohne sich eine Zerrung zu holen. Das von nicht verlängerten Verträgen und vielen Neuzugängen aufgescheuchte Schauspiel-Publikum erfuhr mit der triumphalen Eröffnungspremiere von Felix Mitterers „Jägerstätter“, dass sich auch der von Schneider mitgebrachte Schauspiel-Chef Stephan Suschke sehr wohl um die Bedürfnisse seines Publikums schert. Es geht schließlich um Theater, das mit den Menschen zu tun hat.
Vertrauen ins Brucknerhaus
Dieses Aufregung generierende Vertrauen, mit dem Suschke und Schneider inzwischen arbeiten können, entbehrt am Donauufer das Brucknerhaus. Ein Kontrollamtsbericht, der jahrelange Management-Schlampereien ans Licht brachte, und ein wachsendes Desinteresse des Publikums am durchwachsenen Angebot manövrierte das akustisch wie architektonisch ausgezeichnete Konzerthaus in den Zustand einer „Ruine“. Mit diesem Wort bezeichnete Dirigent Franz Welser-Möst den Status quo.
Inhaltliche Schwächen versuchte das Brucknerhaus durch aufgeblähte Quantität zu kaschieren. Brucknerhaus-Chef Hans-Joachim Frey lässt sich nun ab Ende 2017 nach Russland verpflichten, und die in künstlerischen Angelegenheiten gerne willkürlich agierende Stadt Linz hat bis dato noch keine Kultur-Experten, sondern lediglich politische Funktionäre genannt, die an der Auswahl von Freys Nachfolge mitwirken werden. Im Februar soll der neue Chef oder die neue Chefin des Brucknerhauses feststehen.
„Man könnte diese Jobs einsparen und nicht nachbesetzen.“ Diese Wortmeldung aus dem Linzer Stadtsenat meinte Freys Abgang und jenen von Stella Rollig – die Chefin des Linzer Kunstmuseums Lentos wechselt Mitte Jänner ins Wiener Belvedere. Der Vorschlag steht metaphorisch für eine Spar-Hysterie nach dem Spekulationsdesaster der Stadt, in dessen Zuge nun die Schließung von Büchereien und des Linzer Atelierhauses Salzamt droht.
Derlei geringes Einsparungspotenzial mit fatalen Konsequenzen legitimiert eine sich verbreitende Bildungsverachtung. Genauso wie beim ORF das Auslagern des öffentlich-rechtlichen Auftrags an den Spartensender ORF III: Wie zum Hohn ließ ORF-Chef Alexander Wrabetz nach der Wahl zu seiner dritten Amtsperiode die ORF-Gebühren erhöhen, um im strukturell wuchtigen Sender weiterhin Privatsender-Formate abzukupfern.
Mangelnde Sorgfalt
Dass in hochsubventionierten Getrieben die Sorgfalt beim Geldausgeben abhanden kommt, offenbarte sich in Bundesinstitutionen als gelebte Praxis. Stella Rolligs Rückkehr nach Wien ist das Ergebnis von Agnes Hussleins haarsträubenden Spesenabrechnungen im Belvedere, wo sie auch gerne Mitarbeiter für private Aufträge einspannte. Husslein musste gehen, weil sie fortgesetzt hatte, was unter Peter Noever (Museum für angewandte Kunst), Gerald Matt (Kunsthalle Wien), Georg Springer (Bundestheater), Silvia Stantejsky und Matthias Hartmann (beide Burgtheater) zu einer Unkultur der Habgier geworden war.
Auf Basis dieser Beispiele wird es schwieriger, an das Vertrauen in die Kunst zu erinnern – an die Notwendigkeit ihrer grenzenlosen Entfaltung. Aber ohne Grenzenlosigkeit wird Kunst zur Pfuscherei.
Kunst, der angeblich intelektuelle Kommerz, lebt Großteils von den Steuerzahlern !