Vom "kleinen Raketenmann" zum "talentierten" Staatenlenker
SINGAPUR. Selten hat die Welt in einem solch atemberaubenden Tempo eine völlig Kehrtwende in den Beziehung zwischen zwei Staaten erlebt.
US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un haben diesen Schwenk binnen weniger Monate vollzogen: Von der furchterregenden Konfrontation verbunden mit der Drohung mit Atomwaffen zum freundschaftlichen Händeschütteln begleitet von Komplimenten.
Diese Wende spiegelt die Wortwahl zwischen beiden wider - von aggressiven Beschimpfungen zu Lobesreden:
KRIEG DER WORTE
Am 19. September 2017 droht US-Präsident Trump in einer Rede vor der UN-Vollversammlung, die USA würden Nordkorea "völlig zerstören", wenn das Land nicht einlenke. Kim verhöhnt er als "Raketenmann" auf einer "Selbstmord-Mission für sich und sein Land". In November nennt er ihn einen "kranken Hund", nachdem er ihn zuvor schon als "Verrückten" mit Atomwaffen beleidigt hat. Regelmäßig bezeichnet er Kim als "Diktator" oder abfällig als "kleinen Raketenmann".
Die Antwort aus Pjöngjang kommt postwendend: Kim nennt den US-Präsidenten im September einen "geistig umnachteten senilen Amerikaner". Er werde den US-Präsidenten "endgültig mit Feuer zähmen", droht er.
Auf Kims Neujahrswarnung bezüglich des "Atomknopfes" auf seinem Schreibtisch reagiert Trump mit einem Tweet, in dem er schreibt, sein eigener Atomknopf sei viel größer und mächtiger. Pjöngjang spricht daraufhin von den "Zuckungen eines Irren" und dem "Gebell eines tollwütigen Hundes". Trumps Atomknopf-Tweet sei Ausdruck des "geistigen Zustands eines Versagers", der unter "Aggressionsstörungen und Schizophrenie leidet".
VERBALE ABRÜSTUNG
Parallel zu der Atomknopf-Prahlerei deutet Kim aber an, dass Nordkorea eine Delegation zu den Olympischen Winterspielen im Februar in das verfeindete Südkorea entsenden könnte. "Vielleicht ist das eine gute Nachricht, vielleicht nicht - wir werden sehen", kommentiert dies Trump trocken, der Kim erneut als "Raketenmann" tituliert. Doch ab Jänner kommt tatsächlich der Dialog- und Verhandlungsprozess mit Südkorea in Gang.
Dann die spektakuläre Wende im März: Kim lädt Trump zu einem Gipfeltreffen ein, der US-Präsident nimmt an und - nach einigem Hin und Her - kommen beide zu einer historischen Begegnung am 12. Juni in Singapur zusammen. Nun ist Trump plötzlich voll des Lobes für den nordkoreanischen Machthaber.
LOB UND KOMPLIMENTE
Bei dem Gipfel versichert der US-Präsident, Kim sei eine "große Persönlichkeit" und zudem "nett" gewesen. "Er ist sehr talentiert." Zudem sei der Nordkoreaner ein "sehr geschickter, sehr guter Verhandler". Und er sei ein "sehr mächtiger Mann", der sein Land fest im Griff habe.
Der gibt die Komplimente weitaus zurückhaltender zurück: Kim spricht nur von einem "historischen Treffen" und gelobt, die Vergangenheit hinter sich lassen zu wollen. Aber er lässt sich von Trump zu einem besonderen, sehr persönlichen Moment verführen: Der US-Präsident zeigt dem Nordkoreaner beim Gipfel seine gewaltige Cadillac-Limousine - auch genannt "The Beast" (Das Biest).
Oder, Trump, vom kleinen Immobiliendealer zum größten Chaospolitiker der Welt.
Kim sei "ein 'sehr mächtiger Mann', der sein Land fest im Griff habe" - und das beeindruckt Trump.
Es ist mehr als bedenklich, wenn der angebliche Führer der freien Welt von einem der brutalsten Diktatoren der Welt beeindruckt ist.
Was für ein geistiger Tiefflieger.
Offenbar träumt Trump auch von der Vernichtung der freien Presse und von KZs für Regimekritiker.
Lasst Nord- und Südkorea in Ruhe, die werden ohne Amerika besser zueinanderfinden. Die Koreaner sind ein fleißiges und ehrliches Volk.