Die 15 Tage Weltruhm des Ceta-Kritikers Paul Magnette
Dass ausländische Journalisten sich für einen wie Paul Magnette interessieren, kam bis vor kurzem ungefähr so häufig vor wie eine Anfrage der "Los Angeles Times" um ein Interview mit einem oberösterreichischen Lokalpolitiker.
Doch Monsieur Magnette ist nicht nur Chef der Regierung Walloniens, der französischsprachigen Region Belgiens, und Bürgermeister von Charleroi, sondern hat es im Oktober 2016 auch kurzzeitig zu Weltberühmtheit gebracht.
Der 45-jährige Politologe hat beinahe das Freihandels-Abkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) gekippt. "Von welcher Zeitung sind Sie? Nein, so schnell geht das nicht, nein, kein Lokal, nein, Brüssel, unmöglich. Vielleicht ein kurzes Interview in meinem Büro."
Der Premier residiert im Elysette
Statt Frühstück in Brüssel also Kaffee in Namur. Die wallonische Hauptstadt liegt 65 Kilometer entfernt von Brüssel. Der Premier residiert im Elysette, einem kleinen Elysee, schön gelegen am Ufer der Maas. Magnette sitzt auf der weißen Ledercouch mit dem Rücken zum Fluss, wohl damit der Besucher den besseren Ausblick hat.
Dass sein Widerstand gegen Ceta politisches Kalkül gewesen sein könnte, wie alle Welt vermutet hat, weist er von sich. Er erinnert eloquent daran, dass die Region und er selbst seit November 2014 ihre Probleme mit Ceta bei Föderalregierung und EU-Kommission deponiert hätten. Dass es aber keiner hören wollte. Bis es fast zu spät war. Magnette findet nichts Besonderes daran, dass eine Region in Belgien ein internationales Handelsabkommen blockieren kann.
Früher seien mit solchen Verträgen nur Zölle gesenkt worden. Bei Ceta oder TTIP "geht es aber kaum mehr um Handel und viel mehr um Investitionsschutz", sagt der Kurzzeit-Held der Globalisierungskritiker. Damit werde in die Kompetenz der Länder eingegriffen.
Vorige Woche hat er in Brüssel seine "Erklärung von Namur" präsentiert. Auf drei Seiten versuchte er die Kernforderungen aus der Debatte um Ceta für künftige Handelsverträge festzuschreiben. Einige Dutzend Universitätsprofessoren haben unterzeichnet – auch der französische Ökonom Thomas Piketty, Autor des Bestsellers "Das Kapital im 21. Jahrhundert", berichtet Magnette ganz nebenbei.
Er hat selbst jahrelang an der Freien Universität in Brüssel Politikwissenschaften gelehrt und ist Autor mehrerer politischer Bücher. Heute sieht er sich mehr als Politiker denn als Wissenschaftler.
Aber jeder Politiker, der einen Beruf hatte, sei davon geprägt", sagt er. "Ich bleibe ein Intellektueller, ich schreibe, ich lese."
Ärger über Begriff "Vetokratie"
Was er an der Politik mag? Verhandeln, die Suche nach Kompromissen. "Es ist wie beim Kochen. Kein Gericht wird so wie im Rezept", sagt der Hobbykoch – mit einer Vorliebe für die italienische Küche. Was er nicht mag, ist Kritik, wie sie der "Economist" nach dem Nein der Wallonen geübt hatte. Das britische Magazin schrieb von einer "Vetokratie", auf die die EU zusteuere. Besonders ärgert ihn das, weil "gerade die Briten doch immer gegen alles opponiert hätten".
Dass sein Kampf gegen Ceta seine "15 Minuten Ruhm" waren, wie Andy Warhol das beschrieben hat, verneint er. "Es waren 15 Tage."
Aber 15 Tage, die vll das Verständnis für die bedenken der Bürger geweckt hatten.