Mariss Jansons: Der freundliche Hochbegabte
Was bleibt einem Buben übrig, dessen Vater Dirigent ist und die Mutter Sängerin?
Arvids und die Jüdin Iraida Jansons, die ihren Sohn 1943 in einem Versteck in Riga zur Welt gebracht hatte, setzten ihren kleinen Mariss in eine Schulklasse für musikalische Hochbegabte. 1946 wurde Arvids Janssons von den Philharmonikern in Leningrad (heute St. Petersburg) engagiert, zehn Jahre später übersiedelten auch Iraida und ihr inzwischen 13-jähriger Sohn dorthin. "Ich sprach damals kaum Russisch, statt mit den anderen Kindern zu spielen, hatte ich Sprachunterricht", sagt Mariss Jansons. Ursprünglich hatte er Fußball-Profi werden wollen, aber als sein Vater eines Tages mit einer Geige in der Tür stand, hatte sich die Karriere als Kicker erledigt. Inzwischen ist er 75 und gilt als einer der präzisesten wie liebevollsten Orchester-Chefs der Welt. Bei den Salzburger Festspielen führte er am Sonntag Tschaikowskis Oper "Pique Dame" zum Triumph. Wenige Tage zuvor war ihm von Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler die Festspielnadel mit Rubinen, die höchste Ehrung der Festspiele, überreicht worden.
Mit Österreich verbindet Jansons eine besondere Nähe. Nicht nur weil er 2006, 2012 und 2016 das Neujahrskonzert leitete, sondern weil er 1969 trotz der eisernen Ausreiseregeln nach Wien durfte, um bei Hans Swarowsky und Herbert von Karajan zu studieren. Als er zwei Jahre später den Karajan-Wettbewerb gewann, sollte er Assistent des großen Dirigenten werden, aber das wurde ihm von der Sowjetunion untersagt.
Jansons’ Vater starb 1984 nach einem Herzinfarkt am Pult. Er selbst brach 1996 in Oslo, wo er 1979 Chef des Orchesters geworden war, während einer "La Bohème"-Aufführung ebenfalls nach einem Herzinfarkt zusammen. Jansons: "Ich hatte damals das Gefühl, von einer Kraft zerquetscht zu werden, aber es war offenbar noch nicht an der Zeit, zu gehen." Seit 1990 feierte Jansons 38 Produktionen mit sieben verschiedenen Orchestern in Salzburg.