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"Es ist nicht notwendig, verrückt zu sein, um hier zu arbeiten, aber es hilft"

Von Karin Schütze, 13. Oktober 2017, 12:34 Uhr

An der Staatsoper ist er Mozarts Don Ottavio. Am 21. Oktober singt Benjamin Bruns (37) in Haydns "Die Schöpfung" im Linzer Brucknerhaus. Über das Sängerleben und Handschellen in seiner Garderobe hat der Tenor mit den OÖNachrichten gesprochen.

Ein Bekenntnis auf seiner Facebook-Seite springt ins Auge: "Das Theater ist ein Irrenhaus, aber die Oper ist die Abteilung für Unheilbare", steht dort zu lesen.

Was sind Ihre Symptome?

Benjamin Bruns: Hochgradige Bühnenabhängigkeit. Das Zitat ist von Franz von Dingelstedt, der selber Schauspieler war, dann Hofoperndirektor in Weimar und später in Wien. Es ist nicht notwendig, verrückt zu sein, um hier zu arbeiten, aber es hilft. Es funktioniert nicht alles nach den normalen Maßstäben, die man außerhalb eines Theaters erwarten würde.

Welche Fähigkeiten braucht man zum Überleben?

Es gehört eine gesunde Portion Exhibitionismus dazu, emotional. Mein Gesangslehrer hat das immer mit Seelenstriptease beschrieben. Um eine wahrhaftige Figur auf der Bühne darzustellen, muss ich meine Emotionen wahrhaftig "verkaufen". Ich muss mich bis zu einem gewissen Grad absolut mit der Figur identifizieren, damit es beim Publikum ankommt und auch verstanden wird. Man legt da gelegentlich sein Innerstes offen und hofft, dass das Publikum kein Schindluder damit treibt.

Freut es Sie, wenn jemand an Ihrer Garderobentür klopft?

Die Garderobe ist etwas sehr Privates. Am Bühnentürl finde ich es ganz wunderbar. Das zeigt mir, dass das Publikum Anteil nimmt.

Begonnen haben Sie im Knabenchor in Hannover. Kommen Sie aus einer musikalischen Familie ?

Gar nicht. Mein Vater war Bäckermeister, meine Mutter medizinisch-technische Angestellte. Die Lehrer in der Schule haben meine Eltern drauf hingewiesen, dass ihr Junge so musikalisch sei und es einen Knabenchor gibt. Da haben mich meine Eltern zum Vorsingen hingebracht.

Im Chor haben Sie mit Andreas Mendel gesungen, der jetzt Solooboist im Bruckner Orchester ist und Sie nach Linz geholt hat.

Wir waren viel zusammen und haben uns auf den Reisen ein Zimmer geteilt. Man trifft seine Freunde aus Vorzeiten überall wieder. Da ist schön.

Wann war für Sie klar, ich möchte das beruflich machen?

Das ging eigentlich relativ schnell nach dem Stimmbruch. Ich bekam dann privaten Gesangsunterricht und habe mit 16 gesagt, ich möchte Gesang studieren. Das war gar keine wirkliche Entscheidung, sondern einfach nur eine logische Folge von meinem Leben bis dato. Die Stimme war für mich immer ein völlig natürliches Ausdrucksmittel. Singen ist für mich wie für andere essen, trinken, reden.

Sie wurden noch während des Studiums ans Theater Bremen engagiert. Davon können viele nur träumen. Was waren trotzdem die größten Herausforderungen am Anfang für Sie?

Die größte Herausforderung ist, auf so eine Bühne zu gehen. Egal, wie intensiv das Studium ist, es kann einen nie zu 100 Prozent auf die Wirklichkeit vorbereiten. Man wird ins kalte Wasser geworfen und muss sich durch den Opernalltag kämpfen. Gerade an kleinen oder mittleren Theatern hat man relativ viel zu singen, weil die Ensembles immer kleiner werden. Ich habe in meinen ersten Spielzeiten in Bremen 80 Vorstellungen und mehr in einer Saison gehabt. Die Herausforderung ist, ob man Durchhaltevermögen hat.

Waren Sie jemals kurz davor, den Hut draufzuhauen?

Nie. Wobei man bei Proben gelegentlich an den Punkt kommt, wo einen eigentlich nur noch alles nervt. Dann denkt man kurz darüber nach, ob man nicht vielleicht doch "etwas Anständiges" gelernt hätte, einen Bürojob, wo man den Computer ausschaltet, die Tür zumacht und nach Hause geht. Also ungefähr ein oder zwei Sekunden lang.

Köln, Dresden, Wien – Sesshaftigkeit ist in Ihrem Metier unüblich. Wie geht man damit um?

Das ist eine wirkliche Herausforderung. Man muss dafür geboren sein, das kann man nicht lernen. Es ist nicht nur diese Unstetigkeit, von einem Engagement zum nächsten. Wenn man so wie ich vor einigen Jahren die Festengagements beiseite lässt und freischaffend ist, wird es eigentlich noch schlimmer. Dann sitzt man sehr häufig alleine im Hotelzimmer. Da gibt es schon ein paar sehr einsame Stunden. Das ist nicht so das glamouröse Leben, das man sich vielleicht vorstellt. Wir haben Probe um zehn. Irgendwann muss man seine Partien auch studieren. Wir verbringen viel Zeit im Hotelzimmer damit, Noten zu fressen.

An der Staatsoper sind Sie derzeit der Don Ottavio im "Don Giovanni", eigentlich eher "ein Braver". Wie kommen drei Paar Handschellen auf Ihren Requisitentisch?

(lacht) Die gehören Donna Anna, die in dieser Inszenierung ein nettes kleines Techtelmechtel mit Giovanni hat. Das ist ja immer so eine Deutungsfrage. Als Tochter des Komturs stehen garantiert zwei Wachen vor ihrem Zimmer. Wenn sie nicht sagt, der darf rein, kommt da auch keiner rein. Dass sie ihren Verlobten nicht erkennt, kann ich mir auch nicht vorstellen. Die Handschellen haben also nicht wirklich mit Ottavio zu tun, der immer als ein bisschen schwach gilt. Was ich nicht finde. Er verfolgt sein Ziel, der nächste Komtur zu werden. Es muss ja kein Zeichen von Schwäche sein, wenn jemand nach klaren Regeln sein Leben führt.

2012 haben Sie in Bayreuth als Steuermann im "Fliegenden Holländer" debütiert.
Wie haben Sie dieses Pflaster erlebt?

Es ist schon sehr besonders, allein durch den Fokus auf einen einzigen Komponisten. Und dass man dort dem Werk von Wagner seit 100 Jahren frönt, hinterlässt schon seine Spuren. Dazu kommt dieses unglaubliche Festspielhaus mit seinem abgedeckten Orchestergraben, was es dem Dirigenten nicht einfach macht, aber dafür den Sängern. Es ist nicht besser oder schlechter, es ist einfach ganz anders. Auch in der Herangehensweise an die Stücke. Die Staatsoper ist ein Repertoirehaus mit mehr als 50 verschiedenen Stücken pro Spielzeit. In Bayreuth konzentriert man sich auf sechs, sieben.

In welche Richtung möchten Sie in Zukunft steuern?

Ich bin jetzt seit 15 Jahren fest im Beruf und singe die Mozartpartien rauf und runter. Damit möchte ich nicht aufhören, im Gegenteil. Aber man entwickelt sich gerne weiter, bei mir zeichnet sich ab, dass es in Richtung großes deutsches Fach geht, als natürliche Entwicklung. Ich mag dieses Schubladen-Denken nicht. Ich finde, dass sich die verschiedenen Musikstile gegenseitig unglaublich befruchten. Ich bin ein großer Bach-Verehrer. Bach profitiert unglaublich von Wagner. Es geht oft um Aufführungstechnik, aber nicht mehr darum, wie man die Musik empfindet. Mir ist die emotionale Komponente bei Bach unglaublich wichtig. Wenn ich die emotionalen Ausbrüche von Wagner, Verdi oder Puccini auf Bach transformieren kann, profitiert der unglaublich. Genauso umgekehrt. Wenn ich die Struktur von Bachs Musik auf Wagner übertrage, wird er dadurch viel klarer. Insofern finde ich es wunderbar, meine Fachbandbreite zu erweitern.

INFOS

In Oberösterreich: Am 21. Oktober singt der Tenor in Haydns „Die Schöpfung“ im Linzer Brucknerhaus, mit Landestheater-Sopranistin Julia Grüter, Volksopern-Bass Günter Haumer, dem Brucknerchor Linz und dem Bach-Chor Wels. Es spielt die Mendelssohn Philharmonie unter Sigurd Hennemann (re.). 19.30 Uhr, Karten: 0732 77 52 30, brucknerhaus.at / 0663 03 06 1919, www.brucknerchor.at

Leben: Benjamin Bruns begann seine Laufbahn im Knabenchor seiner Heimatstadt Hannover. Nach Engagements am Bremer Theater, der Kölner Oper und der Sächsischen Staatsoper Dresden ist er seit 2010 im Ensemble der Wiener Staatsoper.

 

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