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Die Kräfte der Zersetzung

Von Gerald Mandlbauer, 03. Oktober 2020, 00:04 Uhr
(Symbolfoto) Bild: Reuters

Überlebensfrage einer freien Gesellschaft: Wird der Datenkapitalismus gebändigt?

Würde die digitale Welt aus jenem verengten Blickwinkel betrachtet, der in dieser Sphäre verbreitet ist und der Schattierung und den Zwischentönen wenig Raum lässt, dann müsste sich Europa in den Keller verkriechen und die weiße Fahne schwenken. Das Match ist aussichtslos geworden, die amerikanischen Techgiganten liegen uneinholbar auf ihren Feldern voran, und sie pumpen jeden verdienten Dollar in den weiteren Ausbau ihrer Dominanz. Corona hat die Kluft vergrößert.

Die Zahlen sind ernüchternd. 94 Prozent der weltweiten Suchabfragen laufen über Google, sein Name ist zum Synonym des Suchens an sich geworden. Seit 2009 haben sich Googles Einnahmen um 3500 Prozent (in Worten: dreitausendfünfhundert!) erhöht.

50 Prozent des europäischen Online-Handels laufen über Amazon, Tendenz stark steigend, Corona wirkt beschleunigend. Facebook zählt weltweit 2,4 Milliarden Kunden, der Börsekurs von Apple ist während der Corona-Pandemie um 140 Prozent auf 2,3 Billionen Dollar gestiegen.

In der Plattformökonomie sind die Rollen verteilt: „The winner takes it all.“ Mit ihrer unheimlichen finanziellen Macht im Rücken steuern diese Giganten auf die Vollendung ihres Monopols zu. Hannes Androsch, Ex-Vizekanzler, weist in seinem jüngsten Buch „Was jetzt zu tun ist“ (Brandstätter-Verlag) auf die Parallelen zu den riesigen Industrie-Trusts hin, die nach 1900 in den USA nur durch Zerschlagung gebändigt werden konnten.

Heute ist die Sache komplexer, weil Datenkapitalismus nicht mehr eine rein nationale Angelegenheit der USA ist, sondern Teil einer globalen Auseinandersetzung um die Vorherrschaft zwischen China und den USA. Dabei droht viel mehr als ein einseitiges ökonomisches Ausgeliefertsein. Die oben beschriebenen Überwachungsdividenden, die wir selbst durch die Nutzung dieser Dienste mit erschaffen, basieren auf der systematischen Ausbeutung persönlicher Daten.

Die europäischen Werbemilliarden werden gedankenlos und die Folgen nicht bedenkend über den Atlantik gejagt, weil diese Datenriesen alles preislich unterbieten, keine verlegerische Verantwortung für die Inhalte übernehmen und ihren Algorithmus und damit ihr Modell weltweit ausbreiten können. Dieser Dampfwalze ist nichts gewachsen. Jetzt geht die politische Kommunikation ins Netz – und zwar, ohne dass Europa einen Nutzen daraus hat. Die Datenriesen zahlen hier keine nennenswerten Steuern, noch schaffen sie groß Beschäftigung.

Auf das Gute im Menschen zu hoffen und darauf, dass die Leute das begreifen, wird nicht funktionieren. Silicon Valley fixt uns an wie der Rauschgiftdealer, weil die Algorithmen wie das Belohnungssystem eines Spielautomaten wirken und uns manipulieren, indem sie Inhalte propagieren, die die stärksten Reaktionen bewirken. Und das sind nun einmal Hass, Übertreibung, Lüge, Zuspitzung, Desinformation.

„Facebook ist eine Maschine, die Demokratie tötet“, sagt Tristan Harris, der wie Roger McNamee heute jene Technologie kritisiert, die er früher als führender Mitarbeiter von Google mitgeschaffen hat. Die beiden spielen als prominente Aussteiger aus dem Silicon Valley die Hauptrolle im sehenswerten Film „Das Dilemma mit den sozialen Medien“ (zu sehen auf Netflix).

Die Geschäftsmodelle der Techkonzerne nehmen auf das, was Gesellschaften zusammenhält, keine Rücksicht. Der freie Austausch von Argumenten wird übertönt. Das Verbindende und die Toleranz, damit die Überzeugung, dass der andere auch ein wenig recht haben könnte, geraten unter die Räder eines Verbalradikalismus. Die Öffentlichkeit wandelt sich in ein Tollhaus der Meinungen, in dem es schwer geworden ist, sich auf Tatsachen zu verständigen. Halbsätze stechen. Jeder wird niedergeschrien, dessen Weltbild einem nicht in den Kram passt.

Wie sehr diese Entwicklung bereits fortgeschritten ist, zeigte die erste Debatte zur Präsidentschaftswahl in den USA. Die Kräfte der Zersetzung wirken auf die Supermacht, das TV-Duell gab ein Abbild dessen, was in den sozialen Medien Standard ist.

Diese Entwicklung ist nicht unaufhaltsam. Der Datenkapitalismus braucht Schranken, die Kritik an seinen Methoden wird lauter. Diese Regeln zu schaffen ist Hoheitsaufgabe der Staaten – es sei denn, wir akzeptieren es, dass einzelne Unternehmen mehr Wissen über Staaten und Bürger sammeln und speichern, als diese selbst über sich besitzen. Dies würde die Selbstaufgabe bedeuten. Auch wenn es abgedroschen klingt: Es ist dabei fünf vor zwölf.

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Autor
Gerald Mandlbauer
Chefkommentator und Mitglied der Chefredaktion
Gerald Mandlbauer
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3  Kommentare
3  Kommentare
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reibungslos (14.490 Kommentare)
am 03.10.2020 22:14

Als Techniker und Realist sehe ich, dass alles logischen natürlichen Gesetzen folgt, auch Entstehung und Untergang von Zivilisationen. In der Natur wächst das meiste langsam und stirbt schnell und nichts hat ewig Bestand. Es ist vermessen zu glauben, mit Ideologien eine neue natürliche Ordnung schaffen zu wollen. Der einzelne mag klug und vernünftig handeln, dass Kollektiv ist umso dümmer, je größer es ist. Die globale "Menschheitsmaschine" ist damit letztlich ein hirnlose Masse.

Der Philosoph Martin Heidegger sah die heutigen Probleme und meinte, dass durch die Verselbständigung der technischen Prozesse der Mensch unter die Räder komme. Er werde zum bloßen Moment des alles umspannenden technischen Prozesses.

Leopold Kohr sah schon vor 50 Jahren die Lösung in der Kleinheit: "Die Größe – und nur die Größe! – ist das zentrale Problem der menschlichen Existenz, im sozialen und im physischen Sinn". Man müsste also unsere Zivilisation in kleine Einheiten teilen. Völlig unrealistisch.

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deroberoesterreicher (1.277 Kommentare)
am 03.10.2020 11:04

Die Menschen werden weltweit in einem lockdown versetzt u.wachen bald in einer faschistischen digitalen Orwellschen Überwachungswelt auf u.es wird zu spät sein. Die Demokratie,Bürger-u.Freiheitsrechte,sowie private Reisefreiheit werden demoliert u.die Volks-u.Realwirtschaft ruiniert. Massenarbeitslosigkeit,Armut u. soziale Unruhen sind die natürliche Folge solcher politischen Fehlentwicklungen. Dass die Anschober/Kogler Grünen dabei mitmachen ist unglaublich,zeigt aber ihr wahres antidemokratisches Gesicht.Mit den neuen Gesetz hat ein Minister das Recht,den Gebrauch des privaten PKW zu verbieten,es können Wohnungen durchsucht u.die Benutzung von öffentlichen Räumen verboten werden.Von den digitalen Überwachungen mittels APPS, QR Codes,mittels der privat gekauften Handys u PCs. ganz zu schweigen. Eine seelenlose Post-bzw.Scheindemokratie,wird durch eine weltweite Diktatur der Finanz-u.Überwachungskonzerne abgelöst u.die Menschen zu digital überwachten Sklaven der int.Konzerne gemacht.

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Analphabet (15.410 Kommentare)
am 03.10.2020 02:36

Die meisten Helfer der Zerstörung sind schon die Bürger, speziell die Jüngeren. Sie geben freiwillig ihre Daten weiter , zahlen nicht mit Bargeld und glauben dasRichtige zu tun. Dieses Verhalten nennt man freiwillige STASI. Für Junge geheime Staatspolizei. Munter werden Sie erst werden, wenn Sie zu 100 Prozent überwachbar sind.

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