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Wo’s Kränzchen hängt, wird ausgeschenkt

23. Juli 2016, 00:04 Uhr
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Bildergalerie OÖN-Flusskreuzfahrt: Weinzauber entlang von Rhein und Mosel
Bild: Gerlad Mandlbaue

Dem "Weinzauber entlang von Rhein und Mosel" folgte die zweite OÖN-Flusskreuzfahrt. Bernhard Lichtenberger hat sie begleitet..

Küss beizeiten schöne Mädchen / trink beizeiten guten Wein / bald zerreißt dein Lebensfädchen / und ein andrer küsst die Mädchen / und ein andrer trinkt den Wein.

Zuhauf zieren sinnige Sprüche wie dieser die Fassaden der an schmucken Fachwerkhäusern so reichen Städtchen an den Ufern von Rhein und Mosel. 682 Kilometer gleitet die "MS Alina" auf den beiden Gewässern während unserer einwöchigen Leserreise dahin, die nahe dem imposanten Kölner Dom ihren Ausgang nimmt.

Am Wein kommt man auf der Mosel zwischen Koblenz und Trier nicht vorbei, möchte man sagen. Tatsächlich tut man es unentwegt. Seit 2000 Jahren wird an den Uferhängen des beschaulich dahinfließenden Stromes der vergorene Saft der Trauben genossen. Mehr als 9000 Hektar sind heute mit Reben bestückt. Der Riesling, die "Königin der weißen Reben", regiert gut 60 Prozent der Fläche. Dahinter stellen sich Müller-Thurgau und Elbling an.

Wo der "Nacktarsch" wächst

Wie die Flicken einer Patchworkdecke verpassen die Rebenreihen den Hügeln ein vielfältiges geometrisches Muster in grünen Schattierungen. In einer Minimundus-Version des berühmten Hollywood-Zeichens künden weißgetünchte Buchstaben von den Namen der Rieden. "Mudener Funkenberg", "Ediger Osterlämmchen" oder "Kröver Nacktarsch" ist da von Bord aus zu lesen. Für Letzteren hat sich der Volksmund eine deftige Überlieferung zurechtgebogen. Demnach soll ein Kröver Kellermeister zwei Burschen den blanken Hintern versohlt haben, die sich unerlaubt an einem seiner Fässer labten.

Dass den Menschen, die diese Gärten kultivieren, der Status von "Helden" zuteil wird, kommt nicht von ungefähr. Denn der Weinbau im Tal der Mosel, die das Hunsrück-Gebirge von den Vulkankegeln der Eifel trennt, ist im wahren Sinn des Wortes eine steile Angelegenheit. Den Winzern des "Bremmer Calmont" wünschte man Helfer mit der Geländegängigkeit einer Bergziege zur Seite. Mit bis zu 70 Prozent Neigung rühmt sich die Lage als steilster Weinberg Europas. Das verdammt die Weinmacher zum reinen Handwerk, das ob der nicht ungefährlichen Strapaz auch seinen Preis hat. Unter 30 Euro ist eine Riesling-Bouteille kaum zu haben.

Schräg mutet auch die Technik an, um der Steilheit Herr zu werden. Wo keine Trockenmauern queren, helfen Seilzüge. Andernfalls kommen Einschienen-Zahnradbahnen für den Transport von Material und Mensch zum Einsatz.

"Wo’s Kränzchen hängt, wird ausgeschenkt", sagt Ingrid Forman, die durch das entzückende Bernkastel führt. Was nichts anderes bedeutet, als wenn bei uns ein Heuriger ausg’steckt hat. Über das Kopfsteinpflaster des mittelalterlichen Marktplatzes geht ein Gässchen zum "Bernkasteler Doctor", den sich drei Weingüter teilen. Um deren edle Tropfen rankt sich die Legende, wonach den Trierer Kurfürsten Boemund II. im 14. Jahrhundert auf der nahen Burg Landshut eine fiebrige Erkrankung plagte. Während die ärztliche Kunst wirkungslos blieb, gesundete der geistliche Herr am Fässchen eines alten Winzers. Als "der wahre Doctor" geadelt, durfte die Lage fortan mit dem medizinischen Titel geschmückt werden. An dem extravaganten Rebensaft stoßen sich auch die Hersteller gesund. Eine Flasche "Wehlener Sonnenuhr Trockenbeerenauslese", Jahrgang 1921, wurde einst um 12.000 D-Mark versteigert. Weltweit gibt es davon nur noch sechs Stück.

Deutlich billiger gibt man es im "Spitzhäuschen" – was wohl auch daran liegt, dass die Menge (0,2 Liter pro Glas) der auf schmalen Brettchen servierten Degustationsreihen von trocken bis lieblich deren Gaumenerquickung übertrumpft. Die Attraktion ist ohnehin das Gebäude selbst, das sich zwischen zwei Gässchen zwickt, an seiner schmalsten Stelle nur zwei Meter misst und mit seinen windschiefen, überhängenden Obergeschoßen aussieht, als müsste es jeden Moment umkippen. Als Wermutstropfen auf den Zungen inspirierter Verkoster sei vermerkt, dass in Bernkastel aus dem Wort Nachtleben das Leben zu streichen ist.

Zwitschern in der Drosselgasse

Was übrigens auch für Rüdesheim am Rhein gilt, wenn man vom überschwänglichen Remmidemmi in der engen Drosselgasse absieht. Wo einst Singvögel ihre Liedchen pfiffen, zwitschern nun Besucher aus aller Herren Länder Wein. Der begleitende Singsang diverser Musiker animiert dazu, sich ordentlich einen hinter die Binde zu gießen. Nur einen Steinwurf von dieser Touristenfalle entfernt, vergnügt "Siegfrieds Mechanisches Musikkabinett", ein Sammelsurium kurioser selbstspielender Instrumente – vom Automaten-Orchestrion mit schrillem Puppentheater von 1888 bis zur putzigen, aus 376 Teilen bestehenden Vogelstimmen-Spieluhr mit flatternder Nachtigall in Sterling-Silber.

Aus einem der wundersamen Kästen tönt das Lied von der Loreley, das auf einer Rhein-Reise so allgegenwärtig ist wie etwa "Guantanamera" in den Straßen der kubanischen Hauptstadt Havanna. So erklingt das vertonte Gedicht Heinrich Heines auch aus den Lautsprechern der MS Alina, als diese den sagenumwobenen, steil aufragenden Loreley-Felsen passiert. "Ich glaube, die Wellen verschlingen / am Ende Schiffer und Kahn / und das hat mit ihrem Singen / die Lore-Ley getan", heißt es in der letzten Strophe, die emotional Berührte auf dem Sonnendeck mitsummen.

Nicht um die Burg entkommt man entlang von Mosel und Rhein den Burgen. Landausflüge haben herausragende zum Ziel. Und eine, zu der man nicht auf-, sondern hinabsteigt. Die Burg Eltz, in der 33. Generation in Familienbesitz, liegt versteckt im Tal der Eltz. Die schmucke Anlage mit den vielen Türmchen aus dem 12. Jahrhundert trotzte allen Fehden und Kriegen, wurde weder zerstört, noch erobert. Was damals Luxus war, ist heute noch zu sehen. Von den 80 Räumen waren 40 beheizbar, 20 verfügten über Zimmertoiletten. Bei diesen verabschiedete sich das Ausgeschiedene nicht simpel in die Abgeschiedenheit des Burggrabens: ein Schacht vom Dach diente als Spülung mit Regenwasser.

Weniger gut meinte es die Geschichte mit der von Weingärten umsäumten, hoch über Cochem thronenden Reichsburg. Sie wurde mehrfach zerstört, ab 1868 aber von einem betuchten Berliner Geschäftsmann wieder aufgebaut – als Sommerferiensitz für seine Frau. Ist das nicht Liebe?

Die Luftlinie zwischen Romantik und Tragödie ist jedoch kurz. Am 5. Jänner 1945 schlugen beim Versuch, einen Munitionszug der Nazis auszuschalten, 30 Bomben in der Cochemer Kirche St. Martin ein. Der letzte Treffer begrub zwei Buben, 13 und 14 Jahre alt, unter den Trümmern. 63 Jahre später erzählte Fremdenführer Paul einer Gruppe diese Geschichte. Da stand ein 85-jähriger Amerikaner auf, bat, zwei Kränze zu kaufen und ihm die Gräber der Burschen zu zeigen, die Mess-Utensilien retten wollten. "Er hat geweint, salutiert und gesagt, dass er, damals 22 Jahre alt, die Bomben geworfen habe", sagt Paul.

Von Unbill verschont blieb die fast 800 Jahre alte Marksburg oberhalb von Braubach. Auf dem Weg durch die verwinkelt angelegten Säle und Kemenaten offenbart die kundige Begleiterin die Herkunft manch geflügelten Wortes. Der Baldachin über der Liegestatt war nicht nur Schutz vor herabplumpsendem Ungeziefer, sondern auch Versteck für Wertvolles, das folglich auf die hohe Kante gelegt wurde. In der Folterkammer liegt eine eiserne Schandmaske, die den Verurteilten mit einem Gewicht zwang, auf allen Vieren über den Marktplatz zu kriechen – er wurde quasi zur Sau gemacht.

Apropos Sau: Das Wasser war in mittelalterlichen Tagen so versaut, dass man seinen Durst lieber mit drei bis vier Litern Wein pro Tag löschte. Ob der einstige Alkoholgehalt von lediglich drei Prozent reichte, um einem Spruch gerecht zu werden, der an einem Braubacher Haus steht?

"Strömt herbei ihr lieben Zecher, labet euch bei mir am Wein, und bei jedem neuen Becher, wird mehr Sorg verschwunden sein."

Die 3. OÖN-Leser-Flusskreuzfahrt mit Moser Reisen führt von 8. bis 15. Juli 2017 auf der MS Alina ab Köln auf dem Rhein durch Holland und Belgien. Stationen sind u.a. Amsterdam, Rotterdam, Gent, Brüssel und Brügge. Info: Moser Reisen, Karin Schmidt, Tel. 0732-2240-22, schmidt@moser.at

Das OÖN-Programm auf der MS Alina

Die mit Moser Reisen organisierte 2. Leser-Flusskreuzfahrt auf Rhein und Mosel, zu der u. a. Ausflüge in Trier, Koblenz und nach Luxemburg gehörten, ergänzten die OÖNachrichten mit zusätzlichen Höhepunkten.
OÖN-Genussexperte Philipp Braun und WIFI-Sommelier-Ausbildner Hans Stoll luden bei ihrer Weinshow zum Vergleichskampf zwischen 12 österreichischen und 12 deutschen Riesling-Weinen.
Der Innviertler Schriftsteller Hans Kumpfmüller begeisterte mit schräger Dialekt-Sprachkunst und hielt die Reise als Fotograf für alle Passagiere fest.

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