Schwach, kraftlos und sehr müde: Woher kommen diese Symptome?
Magen-Darm-Geschichten von Prof. Rainer Schöfl mit der Frage: Was ist schuld – das eigentlich gesunde Saftfasten oder eine Speckverkostung?
Ein junger Unternehmer kommt gerade von einem Heilfasten-Aufenthalt zurück. Er fühlt sich energielos, abgeschlagen, müde und antriebslos. Er führt das auf das extreme Fasten mit zirka 400 Kalorien täglich zurück, versucht zu trainieren, aber das funktioniert nicht. Er ist ganz einfach zu müde.
Als sich sein Harn dunkel verfärbt und seiner Umgebung schließlich auffällt, dass die Augen gelblich werden, kommt er in die Gastroenterologische Ambulanz des Ordensklinikums Barmherzige Schwestern Linz.
Die Laboruntersuchungen bringen schnell ein Ergebnis: Der gelbe Blutfarbstoff Bilirubin ist etwa auf das Sechsfache erhöht und die Leberwerte GOT und GPT auf das Hundertfache vermehrt. Allerdings sind die von der Leber produzierten Eiweißkörper Albumin und die Gerinnungsfaktoren (PTZ, INR) ganz normal. Das bedeutet, dass die Leberfunktion trotz Leberentzündung (Hepatitis) erhalten ist.
Zur Erklärung: Die Leberenzyme GOT (AST) und GPT (ALT) sind beim Absterben von Leberzellen (Hepatitis) erhöht, die Leberenzyme Alkalische Phosphatase und GGT deuteten bei diesem Patienten auf einen Gallenstau hin. Der nächste Schritt ist ein Ultraschall der Oberbauchorgane. Als dieser unauffällig ist, wird nach weiteren Ursachen der Leberentzündung gesucht: Als Auslöser kommen diverse Hepatitisviren, Bakterien (Leptospiren, Lues, TBC) und Einzeller (Malaria, Amöben) infrage. Selten kann auch eine "autoimmune" Hepatitis so akut verlaufen, ebenso eine Medikamentenunverträglichkeit, die Kupferspeicherkrankheit oder eine Vergiftung (etwa mit Knollenblätterpilzen, Phosphor, Tetrachlorkohlenstoff …). Beim genannten Patienten waren Antikörper erhöht und auch die PCR-Untersuchung auf Hepatitis E-Viren war positiv. Damit war die Diagnose einer "akuten Hepatitis E" gesichert. Chronisch verläuft diese Erkrankung nur bei Immunsupprimierten. Außer bei diesen Menschen und bei Schwangeren ist der Krankheitsverlauf von Hepatitis E harmlos und die Natur ist die Heilerin. So geschieht dies auch bei jenem jungen Unternehmer mit der Diagnose Hepatitis E. Die Krankheit ist übrigens meldepflichtig. Es gibt vier Subtypen: Zwei kann man sich bei mangelhafter Küchenhygiene in den Tropen holen, zwei andere bei uns durch den Genuss von Produkten aus rohem (Wild-)Schweinefleisch wie luftgetrocknete Rohwurst oder Speck. Endemisch ist die Hepatitis E in Kärnten.
Und so war es auch: Der Patient dürfte sich bei einer Verkostung infiziert haben. Die Inkubationszeit der Hepatitis E beträgt zwei bis acht Wochen, nach rund vier Wochen heilt die Erkrankung aus und hinterlässt eine lebenslange Immunität. Eine wirksame Impfung gibt es in China, bei uns allerdings nicht.