Phantastische Welt der Phagen
Die Viren sind darauf spezialisiert, Bakterien gezielt zu infizieren und dann zu vernichten. Sie kristallisieren sich als echte Alternative zu Antibiotika heraus.
Ärzte und Forscher stellen uns die Rute ins Fenster: Wenn wir weiterhin so sorglos mit Antibiotika umgehen, wird diese Wunderwaffe gegen bakterielle Infektionen immer stumpfer. Antibiotika-Resistenzen schreiten fort, Mediziner bekommen etwa resistente Krankenhauskeime immer öfter nicht mehr in den Griff. Neue Hoffnung soll die Therapie mit Phagen bringen. "Phagen können Bakterien sehr effizient zerstören und greifen dabei auf einen Wirkmechanismus zurück, der unabhängig von einer Antibiotika-Resistenz greift", so Prof. Wippermann, Chefarzt an einer großen deutschen Klinik und Mitgründer von PhagoMed. Diesen Therapieansatz im Sinne der strengen Zulassungsbestimmungen für Standardtherapien nun weiter zu entwickeln, ist das Ziel der im November 2017 in Wien gegründeten Firma, in der elf Wissenschafter forschen. "In den bereits von mir und Kollegen durchgeführten Studien und Heilversuchen zeigte sich, dass Phagen in der Lage sind, dort zu wirken, wo Antibiotika versagen."
Marktreife ab 2025
Die österreichische Firma entwickelt zurzeit konkret Phagen-Medikamente gegen Implantat-assoziierte Infektionen, Harnwegsinfektionen und bakterielle Vaginose. Was im Tierversuch bereits funktioniert, soll ab 2021 am Menschen erprobt werden und 2025 auf den Markt kommen. Entwicklungsvolumen: insgesamt rund 40 bis 50 Millionen Euro. Bisher stammt mehr als die Hälfte der bereits lukrierten 5,5 Millionen Euro aus öffentlichen Förderungen.
Viren zerstören Bakterien
Wie Phagen genau funktionieren, erklärt ein weiterer Mitbegründer des Biotech-Unternehmens, Alexander Belcredi: "Phagen sind Viren, die nur bestimmte Bakterienzellen mit ihrer DNA infizieren. Sie vermehren sich in den Bakterien und töten diese schließlich ab."
Sobald ausreichend neue Phagen produziert wurden, zerstören die Phagen mittels eigens produzierter Enzyme die Bakterienzellwände und führen so zum Zelltod. Dabei sind Phagen hoch spezifisch. Sie wirken jeweils nur gegen ein bestimmtes Bakterium, richten sonst aber keinen Schaden an. In den geplanten Arzneimitteln werden jeweils drei bis vier Phagen enthalten sein.
Die Viren, die übrigens zu Milliarden auf und in jedem menschlichen Körper vorkommen, funktionieren ohne Nebenwirkungen. Ein weiterer Vorteil: Sie können Biofilme aus Bakterien, die sich etwa auf künstlichen Gelenken einnisten können, aufbrechen. Bisher war es bei dieser Fragestellung immer notwendig zu operieren und den Biofilm zu entfernen, weil Antibiotika Bakterien im Biofilm nichts anhaben können.
Phagen wurden in der Medizin übrigens schon vor mehr als hundert Jahren verwendet, wobei damals der Wirkmechanismus nicht bekannt war. In den 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts rückte ihre Bedeutung durch den großflächigen Einsatz von Antibiotika in den Hintergrund.
Heute spielen sie nur noch eine Rolle in der medizinischen Versorgung in früheren Ostblock-Staaten, wie Georgien. Als Hygiene-Tool kommen Phagen in den USA etwa beim Schutz von Hühnerfleisch gegen Salmonellen zum Einsatz.
Kombination mit Antibiotika
Phagen könnten besonders dort eine echte Alternative zu Antibiotika sein, wo es um chronische Infektionen sowie um einzelne oder eine beschränkte Anzahl an Zielkeimen geht. Auch eine Kombination mit Antibiotika kann sinnvoll sein. Überlegen sind Antibiotika etwa, wenn die Zeit drängt, wenn das Bakterium nicht genau bekannt ist oder wenn sehr viele verschiedene Keime an einer Infektion beteiligt sind.
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