Nicht unbedingt ein Glas heller Freude
Historiker Stefan Wedrac liefert eine gute, kritische Aufarbeitung der NS-Geschichte der Brauerei Zipf.
Pars pro toto: Am Teil lässt sich das Ganze erkennen. Nach diesem Motto funktioniert das Buch "Die Brauerei Zipf im Nationalsozialismus – ein österreichisches Brauunternehmen zwischen NS-Kriegswirtschaft, V2-Rüstungsbetrieb und KZ-Außenlager". Darin schildert Stefan Wedrac, Historiker an der Uni Wien, die Geschichte von der einst größten Brauerei Oberösterreichs. Wedracs Großvater Raimund Lenz hatte als Jugendlicher die Ereignisse zum Ende des Zweiten Weltkriegs miterlebt. "Die Arbeit am Buch war so etwas, wie die Aufarbeitung des Familien-Karmas", sagt der Autor. Angetrieben habe ihn aber auch das legendenumwobene Thema.
Für eine historische Abhandlung erzählt Wedrac spannend die wechselvolle Entwicklung der Brauerei; vom Familienbetrieb bis zu Fusion mit der Brau AG 1969. Deren Beziehung zu Zipf zieht sich als rotbrauner Faden durch die Geschichte. Die Nähe der Brauereiführung zur NSDAP wird klar benannt und ging so weit, dass Werner Kaltenbrunner zum geschäftsführenden Präsidenten des Verwaltungsrates der Brauerei wurde – der Bruder des als Hauptkriegsverbrecher nach dem Nürnberger Prozess hingerichteten Ernst Kaltenbrunner.
Wedrac beschreibt die Ausrichtung des Betriebs nach den Parteirichtlinien. Ein Kritiker daran landete in Gestapohaft. Gleich 1938 musste das Zipfer Verwaltungsratsmitglied Oskar Pollak, ein Jude, den Hut nehmen. Er sollte später im KZ ermordet werden.
Während des Krieges werden in Zipf bis zu 21 Zwangsarbeiter eingesetzt, zumeist in der angeschlossenen Landwirtschaft. Zitat aus dem Vorstandsbericht 1942: "Der Ertrag dürfte heuer auch günstiger sein, weil wir seit längerer Zeit Russen, die nur einen niedrigeren Lohn erhalten, beschäftigen." Bis 1944 wurden Dividenden ausgeschüttet – jeweils um die fünf Prozent.
Im Herbst 1943 zieht das NS-Raketenprogramm unter Wernher von Braun in Zipf und die Keller der Brauerei ein. KZ-Häftlinge aus Mauthausen erzeugen Flüssigsauerstoff und testen Raketen. Die Todesrate im KZ-Außenlager Redl-Zipf betrug 30 Prozent. In der Brauerei waren laut Wedrac keine KZ-Häftlinge eingesetzt.
Mit der geschichtlichen Aufarbeitung ließ man sich Zeit. Zur Feier der Mondlandung 1969 schickte die Brauerei dem Menschenschinder Wernher von Braun stolz eine Kiste Bier. (but)
Stefan Wedrac: "Die Brauerei Zipf im Nationalsozialismus", Böhlau Verlag, 288 Seiten, 27 s/w Abbildungen, 32,99 Euro