"The Counselor": Wenn die Frauen und das Kartell Köpfe rollen lassen
Ridley Scotts neuer Film skizziert weniger das Drogenmilieu in Mexiko als moralische Abgründe des Menschen.
Verkauft wird der neue Film von Ridley Scott ("Prometheus") gerne als Drama im mexikanischen Drogenmilieu. Wer sich aber ein analytisches Werk über Deals in Hinterhöfen und das kriminelle System erwartet, wird enttäuscht sein. Das harte Geschäft mit der Sucht dient Scott nur für eine noch härtere Geschichte über Menschen und ihre komplexe Moral. Der Kern der Geschichte, die sich in feinen, aber doch verwirrenden Wendungen entwickelt, ist einfach erzählt: Michael Fassbender verkörpert den namenlosen Counselor, sprich Anwalt, der sich auf einen einzigen, schmutzigen Deal einlässt.
Was darauf folgt, ist ein Fest für Schauspieler und Publikum, denn das hochkarätige Ensemble zeichnet mit Dialogen und Handlungen tiefgründige, skurrile und abartige Facetten eines Lebens jenseits von Regeln und Recht.
Fassbender stattet seinen Charakter mit aalglatter Sicherheit aus. Solange er glaubt, das Spiel kontrollieren zu können, schenkt er sich unerschütterliche Selbstbeherrschung. Die Frau, die er liebt, heißt Laura und wird von Penélope Cruz als rassige Madonna dargestellt – sie beichtet brav und räkelt sich voll explosiver, sexueller Energie im Bett.
Madonna trifft Gesetzlose
Während die gläubige Schönheit von Laken in unschuldigem Weiß umspielt wird, wird Malkina, gespielt von Cameron Diaz, vor golden getränkten Wüstenbildern wie eine Gesetzlose inszeniert.
Diaz steht der Stil einer krassen Gangsterbraut mit Silbernägeln und Leoparden-Tattoos besser, als man es hätte erwarten können. Sie ist die Gefährtin vom Geschäftspartner des Anwalts, Drogenboss Reiner.
Javier Bardem verleiht ihm bedrohliche Körperlichkeit, die ein starker Kontrast zu seinem Leichtsinn und abgefahrenen Stil ist – samt hochstehenden Haaren, wie nach einem Griff in die Steckdose. Reiners Gespräche, jene von Westray, dem Mittelsmann, dem Brad Pitt sein Gesicht lieh, und dem Counselor sind die besten Beispiele für die Sätze, mit denen Autor Cormac McCarthy ("No Country For Old Men") Figuren zu Charakteren werden lässt. Als der Counselor Reiner fragt, wie lange die Tötungsmaschine des Drogenkartells brauche, um einen Kopf abzutrennen, sagt dieser: "Drei, vier, vielleicht fünf Minuten – hängt von der Kragenweite ab."
Mit solchen Dialogen werden Gewaltpotenzial und Abgründe abgesteckt. Dabei bleibt Raum zur Vorstellung – von Gefahr, Angst und einer Welt, in der Menschen zu allem fähig sind.
"The Counselor" ist deshalb zwar kein Film für lustige Stunden, aber umso mehr ein starkes Stück zwischen Lust am Bösen und Leid mit dem Guten.
Der Counselor: USA/GB 2013, 117 Min., Regie: Ridley Scott
OÖN Bewertung: