Festspiele Erl: Keine Anklage wegen sexueller Belästigung
Gustav Kuhn: Die Anschuldigungen gegen den ehemaligen Intendanten seien nicht strafbar, verjährt oder nicht beweisbar.
Gustav Kuhn entgeht der Anklagebank. Gestern teilte die Innsbrucker Staatsanwaltschaft mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen den früheren künstlerischen Leiter der Tiroler Festspiele Erl eingestellt wird. Es sei kein Vorfall geblieben, der strafbar, nicht verjährt und beweisbar gewesen wäre, hieß es in der Mitteilung.
15 Frauen hatten Kuhn sexuelle Übergriffe oder andere Belästigungen vorgeworfen. 18 Personen seien vernommen worden, aber "in den meisten Fällen wäre ein allfällig strafrechtlich relevantes Verhalten bis zum Beginn der Ermittlungen bereits verjährt gewesen oder war zum fraglichen Tatzeitpunkt nicht strafbar", wurde nun argumentiert. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen im Mai 2019 abgeschlossen und berichtete daraufhin ihr beabsichtigtes Vorgehen dem Justizministerium. Danach kam es zu ergänzenden Ermittlungen und zu einer Prüfung der Ergebnisse der Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt. Schließlich genehmigte das Justizministerium die Einstellung des Verfahrens. Die Gleichbehandlungskommission hatte sehr wohl festgestellt, dass sexuelle Belästigung durch Kuhn stattgefunden habe.
Belästigung oder Handlung?
Die nunmehrige Einstellung des Verfahrens sei kein Widerspruch zum Urteil der Gleichbehandlungskommission, betonte die Staatsanwaltschaft. Denn der Begriff "sexuelle Belästigung" sei im Strafgesetzbuch viel enger definiert als im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz – und auch dort enger gefasst, als er im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet werde. "Sexuelle Belästigung im Strafgesetzbuch ist eine geschlechtliche Handlung an (oder vor) einer anderen Person, die geeignet ist, deren berechtigtes Ärgernis zu erregen. Geschlechtliche Handlung ist eine nicht bloß flüchtige, sexualbezogene Berührung von unmittelbar der Geschlechtssphäre zugehörigen Körperpartien", zitierte die Anklagebehörde die entsprechende Gesetzesstelle. Seit 2006 mache sich auch strafbar, "wer eine andere Person durch intensives Berühren einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt".
Die von der sexuellen Belästigung betroffenen Künstlerinnen reagierten enttäuscht und verärgert auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. "Herr Kuhn hat mir während eines bis dahin normalen Gesprächs zwischen die Beine und unter den Pullover gegriffen, außerdem hat er versucht, mich zu küssen", sagte Manuela Dumfart im Gespräch mit den OÖN im Sommer 2018. Die Sopranistin aus der Mühlviertler Gemeinde Lichtenberg war von 2011 bis 2015 in Erl engagiert gewesen. Auf ihr Bestreben hin wurde die Zusammenarbeit beendet. Dumfart sagte gestern: "Die Einstellung wird mit Verjährung begründet und sagt nichts über die tatsächlichen Vorkommnisse aus." Obendrein heißt es, eine Reihe von genannten Zeuginnen und weiterer Opfer sei von der Staatsanwaltschaft nicht einmal einvernommen worden. (pg)