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Das Witzlose an der politischen Korrektheit

Von Peter Grubmüller, 19. Juni 2019, 00:04 Uhr
Das Witzlose an der politischen Korrektheit
Nach einer Karikatur über Trump und Netanjahu verzichtet die Zeitung auf dieses Satire-Element. Bild: APA/AFP/ANGELA WEISS

Medien: "New York Times" wird ab Juli keine politischen Karikaturen mehr veröffentlichen.

Die Debatte schaukelte sich ab 25. April auf: In der Ausgabe dieses Donnerstags veröffentlichte die US-amerikanische Tageszeitung "New York Times" eine Karikatur, auf der Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als Hund dargestellt wird, der einen blinden US-Präsidenten Donald Trump führt. Netanjahu hat einen großen Davidstern um den Hals, Trump trägt eine Kippa – die vornehmlich in Ausübung ihrer Religion gebräuchliche Kopfbedeckung männlicher Juden. Es entbrannte ein heftiger Antisemitismus-Streit, Trump trieb seinen medialen Lieblingsgegner durch das Twitter-Universum und sogar New-York-Times-Kolumnist Bret Stephens räumte ein, dass Karikaturen wie diese "in einem anderen Zeitalter auch auf den Seiten des ,Stürmers’ (1932 bis 1945 erscheinende Wochenzeitung der Nationalsozialisten, Anm.) stehen können. Der Jude in Form eines Hundes" und dessen Veröffentlichung seien Ausdruck einer zunehmenden antisemitischen Stimmung in der Gesellschaft, die sich als Kritik an Israel tarne, schrieb Stephens.

Nun entschied die "New York Times", politische Karikaturen ab 1. Juli aus der Zeitung zu verbannen. Das Verlagshaus begründete den Schritt damit, dass die internationale Ausgabe der Zeitung der nationalen Ausgabe angeglichen werden soll, die keine Karikaturen veröffentliche. Die Zusammenarbeit mit den Zeichnern Patrick Chappatte und Heng Kim Song wurde beendet.

"Von mir bekommt die ,New York Times’ die rote Karte", sagt OÖN-Karikaturist Gerhard Haderer. Und weiter: "Das ist ein böses Foul der Zeitung. Karikatur ist Kleinkunst, aber man soll sie nicht zu klein reden." Diese Satire-Form sei eben ein maßgebliches Element der freien Meinungsäußerung. Haderer: "Wir alle müssen kämpferisch dafür eintreten, dass diese Freiräume bestehen bleiben und nicht aus vorauseilendem Gehorsam beschnitten werden."

Ein regionales Phänomen

Kabarettist Alfred Dorfer schreibt in seiner Philosophie-Dissertation von 2011 mit dem Titel "Satire in restriktiven Systemen Europas im 20. Jahrhundert", dass der Satiriker zur Aktivität im Sinne eines moralischen, aufklärerischen Ansatzes gezwungen sei. "Das Erkennen des Auffälligen im Unauffälligen, das dem unkritischen Auge verschlossen bleibt, ist das perzeptive Handwerk der Satire."

Haderer: "Wie schon beim Streit in Dänemark über die Mohammed-Karikaturen geht es immer um das gleiche Prinzip: Kabarettisten, Satire, Karikaturen sind ein regionales Phänomen." Man könne nicht mit Metaphern, die für Mitteleuropäer selbstverständlich sind, erwarten, dass sie überall auf Zustimmung stoßen. Haderer: "Ein Beispiel: Einen knienden Menschen zu zeichnen, ist bei uns kein Aufreger, aber Muslime sagen, man hätte einen Menschen in der Hundestellung abgebildet – und das wird mit dem Tode bestraft. Und wenn so etwas über die Internet-Medien rennt, dann bricht das Chaos aus."

Sind Respekt und politische Korrektheit demnach völlig witzlos? Haderer: "Nein, es ist auch unerträglich, als Reaktion auf einen Konflikt keine Karikaturen mehr zu veröffentlichen."

Dem ORF lässt der Karikaturist ausnahmsweise durchgehen, dass der Sender nach homöopathisch aufmüpfigen TV-Sendungen wie der Übertragung der "Romy"- oder "Amadeus"-Verleihung die politische Korrektheit mit folgendem Insert strapaziert: "Der ORF distanziert sich von allfälligen Aussagen, die dem ORF-Gesetz, insbesondere dessen Objektivitätsgebot, widersprechen." Haderer: "Der ORF hat aktuell große Probleme mit sich selbst. Solche Sachen muss man dem Sender in seiner Selbstfindungsphase zugestehen. Von Lächerlichkeit bis Unglaubwürdigkeit wird die gesamte Palette bespielt."

Zurück zu den Karikaturen: Keine Zeitung habe sich für Veröffentlichungen zu entschuldigen. "Sondern", sagt Haderer, "Zeitungen haben die Pflicht, die Karikaturen zu bewerten, ob sie der redaktionellen Maßgabe entsprechen. Nach einer Veröffentlichung muss man als Medium dazu bereit sein, für eigene Entscheidungen einzustehen und zu kämpfen." Bei seinen eigenen Arbeiten bemerke Haderer keine zunehmend beleidigten Reaktionen. "Es ist, wie es immer war: Die Leute haben meine Sachen geliebt oder gehasst – dazwischen hat es nie etwas gegeben."

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Autor
Peter Grubmüller
Ressortleiter Kultur
Peter Grubmüller

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8  Kommentare
8  Kommentare
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Gugelbua (31.937 Kommentare)
am 20.06.2019 09:58

die kleinen Schritte der Zensur

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haspe1 (23.645 Kommentare)
am 19.06.2019 08:59

Ich stimme Gerhard Haderer bei diesem Thema zu.

Generell ist Haderer ein sympathischer Mann mit "dem Herz am rechten Fleck".

Zu seinen Cartoons: Zeichnerisch ist er unverkennbar und hat höchstes Niveau.
Die inhaltliche Qualität seiner Einfälle ist meiner Meinung nach durchwachsen, von fast genial bis banal/trivial. Z.B. strapaziert er in vielen Variationen ständig die gleichen Ideen bzgl. Beamte, Autofahrer, die ihren Arm aus dem Fenster lehnen und das Silvester-Bild mit dem Paar mit lustigem Outfit am Tisch und der Uhr an der Wand. Diese Sujets haben sich schon abgenutzt. Rudi Klein z.B. , der einen ganz anderen Zeichenstil hat, bringt mit viel weniger graphischen Mitteln oft weit bessere Aussagen zustande, die auch viel schärfer und satirischer sein können.

Was wirklich "harte" Themen betrifft, wie die Islamisten, da hält sich Haderer (verständlicherweise) heraus, teils mit eher mutlosen Argumenten ("respektiere Bilderverbot"). Das ist O.K., bedeutet aber, dass weder er, noch

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pepone (60.622 Kommentare)
am 19.06.2019 09:01

und mir geht die kake von OÖNPLUS am Wecker...am sack darf man ja nicht schreiben

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haspe1 (23.645 Kommentare)
am 19.06.2019 09:04

sonst jemand die wirklich harte Methode von "Charly Hebdo" benützt. Es ist ja auch lebensgefährlich.

Und das geht jetzt nicht gegen Haderer, sondern gegen sämtliche Medien in Österreich: Der Spruch „Je suis Charlie“, den viele Redakteure vieler Medien aus aller Welt in die Kamera hielten, war deshalb völlig unzutreffend und geradezu anmaßend.

Nein, in Österreich IST KEINE ZEITSCHRIFT ODER ZEITUNG Charly (Hebdo), keine hat diese Härte und Schärfe gegenüber den Islamisten, keine hat diesen Mut und diese Verwegenheit, es ist eine Zumutung, sich mit jemanden zu vergleichen, dem man nicht im mindesten gleicht.

Sie hätten allesamt höchstens schreiben dürfen: "Wir solidarisieren uns mit Charly!", aber niemals "Wir SIND Charly".

Das gilt auch für sämtliche heimische Cartoonisten und Karikaturisten.

Ich muss Haderer übrigens widersprechen: Ich liebe seine Cartoons nicht und ich hasse sie schon gar nicht, manche schätze ich sehr, manche sind mir inhaltlich zu banal, graphisch sind sie

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haspe1 (23.645 Kommentare)
am 19.06.2019 09:05

alle hervorragend.

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pepone (60.622 Kommentare)
am 19.06.2019 09:11

da bin ich deiner Meinung und ich hatte auch " je suis Charlie " kritisiert denn sie haben die radikalen Moslems herausgefordert die UNHEIL verursachten … bzw. sind sie MIT-verantwortlich was die negative Reaktion war und viele Tote gefordert hatte.

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pepone (60.622 Kommentare)
am 19.06.2019 09:05

von HASPE1

Was wirklich "harte" Themen betrifft, wie die Islamisten, da hält sich Haderer (verständlicherweise) heraus, teils mit eher mutlosen Argumenten ("respektiere Bilderverbot"). Das ist O.K., bedeutet aber, dass weder er, noch

letzthin schrieb jemand (ich glaube es war in Deutschland ) dass Satire AUCH begrenzt sein sollte ...Haderer ist klug und setzt es um ...

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haspe1 (23.645 Kommentare)
am 19.06.2019 09:36

@Pepone: Prinzipiell finde ich, dass Kurt Tucholsky recht hatte, als er sagte: "Satire darf alles!"

Und prinzipiell bin ich der Meinung, dass jeder das Recht hat, unzumutbare Ideologien, Religionen, sonstiges hart zu kritisieren, auch wenn den Anhängern dieser das gar nicht passt. Und prinzipiell glaube ich, dass nicht die Satiriker die "Schuld" tragen, wenn Islamisten anderer Personen töten, weil ihre radikale Einstellung das angeblich erlaubt oder erfordert.

Aber natürlich ist es gut, sich zu überlegen, ob man es verantworten kann, dass eventuell unschuldige schwer verletzt oder getötet werden, weil offenbar sehr verblendete Personen diese aus religiösen Gründen hinmetzeln wollen.

Es wäre aber falsch, vor diesen Verrückten, die den liberalen Staat gefährden, einzuknicken, weil diese gefährliche Drohungen aussprechen oder wahr machen wollen. Die liberalen, säkularen Staaten dürfen vor den illiberalen religiösen Extremisten nicht kapitulieren!

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