Peter Simonischek: "Dieser Film war ein echter Glücksfall"
Am 6. August feiert er seinen Siebziger, ab Freitag ist Peter Simonischek als "Toni Erdmann" in Maren Ades Film im Kino zu sehen: Der Schauspieler im Gespräch über weitere Projekte und seinen Hang zu schiefen Zähnen.
Vier Premieren und ein Geburtstag! Zwei im Kino: "Smaragdgrün" läuft bereits, "Toni Erdmann" kommt am Freitag in die Kinos. Bei den Salzburger Festspielen ist Peter Simonischek als Sprecher im Oratorium von Peter Eötvös (30. Juli) und als Prospero in Shakespeares "Sturm" (ab 1. August) zu sehen. Außerdem feiert der Schauspieler am 6. August seinen Siebziger. Ein Gespräch im Wiener Votiv-Kino.
OÖNachrichten: Beruflich geht es Ihnen bestens. Zwei Kinofilme, wobei "Toni Erdmann" beim Festival in Cannes besonders gefeiert wurde, zwei Auftritte bei den Salzburger Festspielen. Sie müssen momentan ein sensationelles Horoskop haben. Glauben Sie an so was?
Peter Simonischek: Ich glaube an geschickte Formulierungskunst, auf dass man sich beim Lesen betroffen fühlt. Prinzipiell bin ich, was Horoskope betrifft, zu ungebildet. Doch als Kind der Aufklärung halte ich das alles generell für Humbug. Wiewohl, in Sachen Aberglaube: Als unser Hund eingeschläfert wurde, ist plötzlich die Uhr stehen geblieben… Aber, wie gesagt: Kind der Aufklärung. Und ob all das wirklich Glücksfälle sind, wird man erst bei den Premieren sehen.
Allein die Beschäftigungsquote, vom Burgtheater gar nicht zu reden, ist jedoch nicht schlecht?
Lassen Sie mich das pragmatisch betrachten. Ich sehe mich als adäquat beschäftigten Schauspieler. Den gibt es eigentlich gar nicht. Der eine Schauspieler jammert, dass er zu wenig, der andere, dass er zu viel zu tun hat. Aber adäquat beschäftigt – keiner.
Film eins: "Smaragdgrün", nach "Rubinrot" und "Saphirblau" das Ende der Jugend-Fantasy-Trilogie nach den Büchern von Kerstin Gier. Sie sind der "untote" Graf von Saint Germain, bereits ein paar hundert Jahre alt. Was war für Sie der Reiz an der Sache?
Die Romane kannte ich nicht, weil ich ja nur Söhne und keine Töchter habe. Also habe ich noch vor dem ersten Film geschaut: Wer ist dabei? Da las ich: Katharina Thalbach, Johannes Silberschneider, Veronica Ferres. Und ich dachte: Na ja, wenn solche Kollegen mitmachen... Dann las ich das Drehbuch. Die Rolle: sehr schön, ein richtiger Bösewicht. Und ich müsste lügen, wenn ich sage, dass es mir nicht auch ein bisschen um die schöne Gage ging.
Was bei "Toni Erdmann" gewiss nicht der Fall war?
Nein, das war ein echter Glücksfall. Da wurde das "Who is who" der Schauspielerszene zum Casting gebeten. Allein das extrem schräge Drehbuch mit Superszenen!
Ein "Running gag" ist, dass Sie als Toni Erdmann fallweise ein skurril aussehendes falsches Gebiss tragen. Das haben Sie zuletzt an der Burg in "Diener zweier Herren" in der Rolle des Pantalone weiterverwendet. Warum?
Erstens bin ich gelernter Zahntechniker und habe viele ähnliche Gebisse zu Hause. Die habe ich oft beim Schuhkauf verwendet, um meinen Spaß zu haben. Keiner traut sich, mit dir zu reden. Die Idee, das Filmgebiss weiter zu benützen, kam mir bei den Proben. Denn bei Pantalone, dem kleinbürgerlichen, tattrigen Spießer, gibt einem der Text von Goldoni allein wenig Gelegenheit, um auch noch den Mafioso überzeugend dazustellen.
Das Oratorium von Eötvös und "Sturm" bedeuten eine Menge Textlernerei. Lernen Sie gern?
Ich sehe das als sportliche Sache. Gott sei Dank handelt es sich um eine Arbeit, bei der man den Erfolg sieht. Seit 50 Jahren bin ich mit Textlernen beschäftigt. Dass das vor zwanzig Jahren leichter ging als mit 70, na ja, das ist so.
Bestechend schön mit schiefen Zähnen
Beim französischen Filmfest im Mai wandelte sich "Toni Erdmann" zum Coup von Cannes. Die Kritiker feierten die deutsch-österreichische Tragikomödie, die heute im Sommerkino im Moviemento Linz (21.15) erstmals in Oberösterreich zu sehen ist.
Dass die schreibende Zunft einen Narren an der Familiengeschichte gefressen hat, sagt viel. Dass sie wohltuend anders sei, erfrischend für müde, übertrainierte Augen. Und das ist dieses Werk der deutschen Regisseurin Maren Ade auch. Sie bringt den Allerweltskonflikt "Vater und erwachsenes Kind entfremdet" in eine Form, die das kann, was selten wird: überraschen – in aller Stille, dafür umso heftiger wie lustiger. Ade hat sich dafür ein schmerzerfülltes Terrain ausgesucht, das Arbeitsumfeld von Ines Conradi (Sarah Hüller), die sich als Unternehmensberaterin in einer frauen- und lebensfeindlichen Umgebung aufreibt.
Plötzlich steht Vater Winfried (Simonischek) vorm Büro. Das vom Job verzehrte Kind wehrt ab, da entwickelt er samt schiefen falschen Zähnen sein Alter Ego, Geschäftsmann Toni Erdmann. Er taucht immer unverhofft da auf, wo Frau Conradi arbeitet.
Eine Qual für sie, eine Liebestat des Erzeugers, der seiner Tochter Lockerheit, Lachen, die Lust am Echten, am Kindlichen zurückgeben will. Für das Publikum ist es ein Schauspielfest, Genuss zwischen deprimierenden Erkenntnissen über surreale Kapital-Welten und Komik, die trifft, wie eine Wasserbombe mitten ins Gesicht.
(Von Nora Bruckmüller)
OÖN Bewertung:
und ich denk mir ... den kenni doch!