Warum der Markt für Hörgeräte schwächelt

LINZ. Überalterung einerseits, Lärmschäden schon bei jungen Leuten andererseits: Der Markt für Hörgeräte hätte rasant wachsendes Potenzial, doch er stagniert.
Neuroth, Hartlauer und Hansaton dominieren mit mehr als 75 Prozent Marktanteil die Hörakustik in Österreich. Vor gut einem Jahr hat die kabellose Technik (Bluetooth) Einzug gehalten. Die Topgeräte stellen die Verbindung zu Handy, Musikanlage oder TV her und sind über Apps steuerbar. Doch das macht die Hörhilfe offensichtlich wenig attraktiver.
"Ein Produkt sexy zu machen, das eigentlich keiner will, ist relativ schwierig", sagt Martin Huber, der Chef der Sparte Hörgeräte bei Hartlauer. Erstkäufer seien im Schnitt 70 und älter. Das Marktpotenzial wäre riesig, weil von rund 1,6 Millionen Schwerhörigen in Österreich rund die Hälfte dringend eine technische Hilfe bräuchte, um den weiteren Verfall der Hörleistung zu stoppen. Nur rund 400.000 haben ein Gerät. Viele lassen es aber aus Scham in der Schublade. Damit kann sich das Gehör nicht regenerieren, der Erfolg ist mager. Eine Abwärtsspirale läuft: Die Träger verbreiten Negativpropaganda.
"Im Schnitt vergehen bis zu zehn Jahre, bis sich ein Mensch mit Hörminderung helfen lässt", sagt Lukas Schinko, der geschäftsführende Gesellschafter des Marktführers, der Neuroth AG. Über 65 Jahre hat jeder Zweite ein Problem. Die Folgekosten in den Industrieländern gehen in die Milliarden, heißt es von den Vereinten Nationen, die für heute, 3. März, den Welttag des Hörens ausgerufen haben.
Ein Problem sind die Preise. Die Krankenkassen tragen zwar die Kosten einer technisch vollwertigen Versorgung, haben ihre Tarife aber rund 20 Jahre nicht angepasst, obwohl es Technologiesprünge gegeben hat. Wer wegen der Stigmatisierung ein besonders kleines und stylisches Gerät will, muss 1000 und mehr Euro pro Ohr aufzahlen. Toptechnik kostet mehr als 3000 Euro pro Ohr.
Das Gerät ist vernachlässigbar
Doch die Hardware ist zu wenig, sagt Schinko: "Erst durch die individuelle Anpassung erfüllt ein Gerät seinen Zweck." Deshalb braucht jeder Hörakustiker aufwändige Studios und qualifiziertes Personal. Es sind mehrere Sitzungen nötig, über einige Monate hin, bis die optimale Einstellung gefunden ist. Die Hörakustiker müssen erreichen, dass die Kunden die Geräte nutzen und zufrieden sind. Das erst stärkt die Mundpropaganda.
Deshalb beträgt der Gerätepreis im Branchenschnitt nur ein Fünftel der verrechneten Leistung. Martin Huber sagt, er mache gar nur ein Siebtel aus: "Die Grundanpassung erfordert rund zehn bis 15 Stunden. Jeder weiß, was eine Meisterstunde kostet." Auch für Bundesinnungsmeister Josef Riegler ist die Betreuung alles: "Die Betroffenen haben sich abgefunden, wollen kein Gerät. Oft werden sie erst von Angehörigen zu uns geschickt."
Technik wird geschrumpft
Mittlerweile bieten Im-Ohr-Geräte ganz diskrete Lösungen; sie sind aber nicht für alle geeignet. Moderne Elektronik wird die Hörhilfen aber auf einen Bruchteil schrumpfen lassen. Die hohen Folgekosten mit Batterien fallen weg, weil es seit kurzem aufladbare Apparate gibt.
Der Konkurrenzkampf ist hart. Vor fast 20 Jahren ist Hartlauer groß ein- und zur Nummer zwei aufgestiegen. Dann kam Sanova ganz groß, mit Übernahme von Hansaton als Vertriebsnetz. Die Erzeuger sichern sich so höhere Spannen – und den Unmut ihrer Großabnehmer wie Neuroth. Das Familienunternehmen hat sich mit mehr als 100 Studios im Ausland, vor allem Deutschland und der Schweiz, eine tolle Marktposition gesichert. Alle fürchten aber, dass Vertriebsriesen wie Fielmann aus Deutschland starten. "Der Markt ist dafür zu klein", so Martin Huber. Das Aus für Viennatone (heute Resound) habe das gezeigt.
Der Heimmarkt
Rund 85.000 Hörgeräte pro Jahr. Drei Ketten stehen für 75 Prozent Marktanteil:
Neuroth AG Graz: 125 Mio. Euro Umsatz, 1200 Mitarbeiter, 240 Studios (davon rund die Hälfte im Inland).
Hartlauer Steyr: Hörgeräte-Umsatz ca. 60 Mio., 119 Studios, 200 Hörakustiker.
Hansaton Salzburg: 95 Studios, 300 Mitarbeiter.
240 selbständige Hörakustiker (OÖ: 48)
Kassenleistung
Ein Hörgerät kostet die Versicherten zwischen null Euro Zuzahlung und mehr als 3000.
Krankenkassentarif in Österreich: einseitige Versorgung 792 Euro, beidseitige 1425,60.
OÖ. Gebietskrankenkasse: 2013 13,1 Millionen Euro Zuzahlung für 7700 Versicherte.
Der Weltmarkt
Weltmarktführer Sonova AG Schweiz mit rund 28 Prozent Marktanteil, 14.000 Mitarbeitern, 2,1 Milliarden Euro Umsatz, Marken z.B. Phonak, Hansaton, Unitron, AudioNova.
Weiters: Demant USA (23 %, z.B. Bernafon, Bosch, Sonic), Silvantos Singapur (früher Siemens, Gerätename heute Signia, 13 %), US-Starkey, die Dänen Widex und GN Resound (alle drei je ca. 10 %).
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