Tageseltern-Ausbildung trägt wesentlich zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei
Kommissionsvorsitzende Martina Genser-Medlitsch zum zehnjährigen Bestehen des Gütesiegels "Ausbildungslehrgänge für Tagesmütter/Tagesväter": In den Jahren 2009 und 2010 erarbeitete eine ehrenamtliche Expertengruppe im Auftrag des Bundeskanzleramts ein Curriculum zur Ausbildung von Tageseltern. Für die von den Bundesländern sehr unterschiedlich ausgestaltete Grundausbildung der Tageseltern sollten bundesweit einheitliche Kriterien vorgeschlagen werden. Daraus entstand das "Gütesiegel Ausbildungslehrgänge Tagesmütter/Tagesväter", das seit 2011 in Kraft ist. Es wird im Rahmen der 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Finanzierung des elementarpädagogischen Angebots unterstützt und fördert die Tageseltern-Ausbildungen jener Anbieter, deren Lehrgänge die Vorgaben des Gütesiegels erfüllen. 2019 wurden die Richtlinien des Gütesiegels in wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht den aktuellen Gegebenheiten angepasst.
Anbieter von Ausbildungen mit Gütesiegel qualifizieren unbescholtene volljährige Personen mit Matura oder abgeschlossener Berufsausbildung zu Tageseltern, deren Deutschkenntnisse mindestens auf C1-Niveau liegen und die bei eigenen oder Adoptivkindern keine Erziehungshilfe in Anspruch nehmen mussten. Das Curriculum des Gütesiegels entspricht 300 Unterrichtseinheiten. Davon entfallen 220 Einheiten auf die Theorie und 80 Einheiten auf den Erwerb von Praxiserfahrungen. Wesentliche Erkenntnisse zu Pädagogik, Didaktik, Entwicklungspsychologie, Gesundheitsförderung und Prävention, Erste Hilfe, Kommunikation und Konfliktregelung sind Teil des Curriculums. Gendergerechtigkeit und Diversity-Aspekte sind im Gütesiegel ebenso verankert. Auf die Integration altersgerechter Sprachförderung im Tageselternalltag wird ein besonderer Fokus gelegt. Der Unterricht findet in Gruppen bis max. 18 Teilnehmer statt, die Praktika werden bei erfahrenen und speziell geschulten Praxistagesmüttern/-vätern absolviert. Voraussetzung für den Erhalt des Gütesiegels ist die positive Beurteilung des vorgelegten Lehrgangskonzepts durch eine Expertenkommission. Aufgrund selbiger verlieh das Bundesministerium für Frauen, Familie, Jugend und Integration das Gütesiegel bislang an Lehrgänge von elf Ausbildungsträgern aus den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark und Tirol. Neun von ihnen beantragten erfolgreich eine Rezertifizierung. "Das Gütesiegel legt die Kriterien einer zuverlässigen elementarpädagogischen Tagesbetreuung für (Klein-)Kinder offen. Es motiviert angehende Tagesmütter und Tagesväter, eine hochwertige Ausbildung für einen Job in Angriff zu nehmen, der sich vor allem von Elternseite großer Nachfrage erfreut", so Martina Genser-Medlitsch, die Vorsitzende der Kommission, Psychologin und Expertin für Elementarpädagogik im Hilfswerk Österreich.
Wahlfreiheit und Qualität
"Insbesondere berufstätige Eltern, die mit den Öffnungszeiten der Kleinkindergruppen und Kindergärten vor Ort nicht das Auslangen finden, brauchen bestens ausgebildete Tageseltern. Diese sind ein attraktives, flexibel auf den individuellen Bedarf eingehendes Angebot an Kinderbildung und Betreuung und ermöglichen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf", erläutert Martina Genser-Medlitsch. Besonders für sehr junge Kinder böten die Klein(st)gruppen der Tagesmütter bzw. Tagesväter eine familienähnliche Struktur, die den Übergang zur institutionellen Betreuung erleichtere. "Tageseltern bedeuten Wahlfreiheit für Erziehungsberechtigte. Das Gütesiegel Ausbildungslehrgänge Tagesmütter/Tagesväter stellt sicher, dass elementarpädagogisch qualifizierte Betreuungsformen für die jeweils individuelle Situation der Familie zur Wahl stehen", ist Martina Genser-Medlitsch überzeugt.
Mehr politische Unterstützung
Auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive seien Tageseltern als wertvolle Säule in der Kinderbildungs- und Betreuungslandschaft unverzichtbar. "Gemeinden, aber auch Betriebe kämpfen hinsichtlich Kinderbetreuung mit schwankenden Bedarfszahlen und kostenintensiven Betreuungszeiten an den Tagesrändern. Ein regional verfügbares, qualitätsgesichertes Tageseltern-Angebot bietet eine vergleichsweise günstige Erweiterung zum institutionellen Angebot und würde den elementarpädagogischen Bedarf – insbesondere fernab der Ballungszentren – schließen helfen", meint Genser-Medlitsch. Derzeit betreuen und begleiten rund 2000 Tagesmütter und Tagesväter knapp 10.000 Kinder in Österreich, davon sind rund 6000 unter drei Jahre alt.
Im EU-Rat 2002 hat sich die Republik zur Erreichung der sogenannten Barcelona-Ziele für den elementarpädagogischen Bereich verpflichtet. Im EU-Durchschnitt wird rund ein Prozent des BIP dafür aufgewandt, Österreich ist jedoch noch nicht über 0,64 Prozent hinausgekommen. "Die finanzielle und fördertechnische Angleichung der Tageseltern an institutionelle Betreuungseinrichtungen wäre ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung", erinnert Genser-Medlitsch die politischen Verantwortungsträger.