"Wir müssen abwarten, ob Erdogan eine Lösung will"
Die Genfer Zypern-Verhandlungen wurden vertagt – der Politologe Hubertus Faustmann erklärt, warum.
Diesmal waren die Hoffnungen groß. Doch die Zypern-Konferenz in Genf ist erneut ohne konkretes Ergebnis zu Ende gegangen. Hubertus Faustmann, Politologe an der Universität Nicosia, analysiert im OÖN-Interview die Aussichten auf eine Lösung des Zypern-Konflikts.
Die Genfer Gespräche wurden vertagt, was auch als Scheitern interpretiert werden könnte. Wo ist man sich näher gekommen?
Faustmann: Vor allem in der Territorialfrage kam man entscheidend weiter. Beide Seiten haben erstmals Karten ausgetauscht. Bei den neuen Grenzen liegt man nicht so weit auseinander. Es ist nur ein Prozent. Umstritten ist allerdings noch die Rückgabe des Dorfes Morphou. Auch in Detailfragen der Machtteilung und Regierungsführung in einem wiedervereinigten Zypern konnte man sich einigen; aber auch da ist das große Thema einer rotierenden Präsidentschaft, auf die die türkischen Zyprioten bestehen, noch nicht abschließend geklärt.
Und wo hakt es noch richtig?
In der Eigentumsfrage hat es nur wenig Fortschritte gegeben. Wie soll mit dem Eigentum, das türkische Zyprioten in den 60er Jahren und griechische Zyprioten 1974 verloren haben, umgegangen werden. Wie sollen die Besitzer entschädigt werden, was ja auch eine sehr teure Frage ist.
Und dann ging es ja noch um Sicherheit und Garantien, um den Status der Türkei, um die türkische Militärpräsenz auf der Insel?
Da ist man überhaupt nicht weitergekommen, sondern hat bloß die alten Positionen auf den Tisch gelegt. Dann vertagte man die Verhandlungen, um zu zeigen, dass die Genfer Gespräche nicht gescheitert sind. Allerdings wird sich der Einstieg in die Endphase der Gespräche nun lange hinziehen.
Wochen oder Monate?
Aus meiner Sicht gibt es keinerlei Aussicht auf eine Einigung in der Zypernfrage vor dem Referendum in der Türkei über die Verfassungsänderung dort. Aus taktischen Gründen ist es für Präsident Erdogan gegenwärtig unmöglich einer Lösung zuzustimmen, weil er in dem Referendum - sowie auch im Parlament - auf die Zustimmung der nationalistischen Hardliner-Partei MHP angewiesen ist. Diese lehnt jegliche Zugeständnisse in der Zypernfrage ab. Ich denke nicht, dass er es riskieren wird, hier Stimmen zu verlieren.
Das heißt?
Aus meiner Sicht gibt es keine Perspektive für eine Einigung vor April. Und danach müssen wir abwarten, ob Erdogan eine Lösung wirklich will.
Betrachtet man die politische und wirtschaftliche Lage in der Türkei, sollte man glauben, dass Erdogan einen außenpolitischen Erfolg gut gebrauchen könnte. Warum ist er so unwillig?
Absoluten Vorrang für Erdogan hat die Umwandlung des politischen Systems. Für die Erreichung dieses Ziels ordnet der türkische Präsident alles andere unter, auch die Zypernfrage.