Indien stellte wieder Rekord bei Neuinfektionen auf
NEU-DELHI. In Indien droht die Pandemie völlig außer Kontrolle zu geraten.
Mehr als eine Million registrierte Corona-Neuinfektionen in nur vier Tagen. Zweimal in Folge ein Höchstwert bei den Tages-Infektionswerten. In den vergangenen 24 Stunden wurden 332.730 Corona-Fälle erfasst - so viele wie in keinem anderen Land der Welt an einem Tag zuvor. Ein schlimmer Rekord reiht sich in Indien an den nächsten. Nun geht den Krankenhäusern auch der Sauerstoff aus.
Gesundheitssystem ist überlastet
Menschen eilen von Krankenhaus zu Krankenhaus mit schwerkranken Angehörigen und werden immer wieder abgewiesen. Es gibt keine Betten, keinen medizinischen Sauerstoff mehr. Auch auf Twitter suchen Menschen wie John Abhijeet aus Delhi verzweifelt Hilfe. Er und seine ganze Familie sind Corona-positiv, seiner Mutter geht es besonders schlecht. Nach langer Suche fand er ein Klinikbett, aber keinen Sauerstoff.
"Der Zustand meiner Mutter hat sich schnell verschlechtert und ich muss etwa 80 Anrufe gemacht haben", sagte Abhijeet. Jetzt liegt sie endlich in einem Bett mit Sauerstoffversorgung. Aber er hat Angst. Twitter ist inzwischen auch ein Meer aus Nachrufen auf unzählige geliebte Menschen. Alt wie jung.
Wurden Anfang des Jahres in dem Riesenland mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern teils weniger als 10.000 Fälle am Tag bekannt, sind es heute mehr als 300.000.
Kanada stoppt Flüge aus Indien und Pakistan
Wegen der hohen Infektionszahlen hat Kanada Flüge aus dem Land vorübergehend gestoppt. 30 Tage lang dürften keine Passagier-Flüge aus Indien und dem Nachbarland Pakistan mehr in Kanada landen, teilte Transport-Minister Omar Alghabra am Donnerstag (Ortszeit) mit. Frachtflüge blieben erlaubt.
Fast alle Menschen, die nach Kanada einreisen, müssen schon länger einen negativen Corona-Test vorweisen und zwei Wochen lang in Quarantäne. Wer per Flugzeug einreist, muss einige Tage in einem Hotel bleiben, bis neue Testresultate vorliegen. Eine steigende Zahl von Menschen, die aus Indien oder Pakistan einreisten, sei in letzter Zeit positiv getestet worden, teilten die kanadischen Behörden mit. In Indien haben die bekannten Corona-Fälle seit Wochen immer schneller zugenommen.
Religiöse Feste und Wahlkampfveranstaltungen mit Menschenmengen
Wie konnte es in Indien soweit kommen? Zu Jahresbeginn herrschte noch Euphorie im Land. Viele dachten, dass das Schlimmste nach einer ersten Welle im vergangenen Sommer mit bis zu knapp 100.000 Fällen am Tag überstanden sei. Das normale Leben kehrte zurück. Mehr und mehr Leute verzichteten auf das Maskentragen und Abstandhalten. Dann gab es religiöse Feste - darunter eines, bei dem wochenlang Millionen Hindus im heiligen Fluss Ganges badeten, um einem Zustand der Befreiung näherzukommen, bei dem der endlose Zyklus von Geburt, Tod und Wiedergeburt endet und alles Leiden aufhört. Dazu kamen Wahlkampfveranstaltungen mit großen Menschenmengen.
Neue, besorgniserregende Virusmutation
Auch Virusmutationen dürften eine Rolle spielen. Die indische Variante B.1.617 steht bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter Beobachtung. Auch in Europa wurden bereits einige Infektionen mit dieser Variante registriert. In Österreich wurde sie noch nicht detektiert. In Deutschland wurde sie bereits 21 Mal nachgewiesen. Für eine Einstufung als "besorgniserregend" fehlt laut Robert Koch-Institut (RKI) bisher noch die klare Evidenz. Die Variante trage aber zwei Mutationen an einem Oberflächenprotein, die von anderen unter Beobachtung stehenden Linien bekannt seien und von denen Wissenschafter befürchten, dass Geimpfte und Genesene möglicherweise vor einer Ansteckung weniger gut geschützt sein könnten.
Indien vergab Impfstoffe an ärmere Länder
Zudem haben in Indien erst knapp zehn Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfdose erhalten - und das, obwohl das Land selbst Impfstoff in Massen produziert. Aber bis vor kurzem hatte die größte Demokratie der Welt nach eigenen Angaben insgesamt mehr als 66 Millionen Dosen in 95 überwiegend arme Länder exportiert, teils gar verschenkt. Indien hatte sich als Apotheke der Welt präsentiert.
Nun sind die Krankenhäuser voll - und die Krematorien ebenso. Das Gesundheitssystem wurde hart von der Heftigkeit der zweiten indischen Corona-Welle getroffen. Es gibt Berichte von einem Schwarzmarkt für Sauerstoff und Virushemmer. John Abhijeet versuchte 100 Milligramm Remdesivir zu kaufen - er erhielt Angebote für umgerechnet 330 Euro, das Sechsfache des offiziellen Preises. Der Sauerstoffhändler Anjan Prasad Majumdar in Kolkata sagt, er erhalte 250 bis 300 Anrufe pro Tag, könne der Nachfrage aber nicht nachkommen. Ein Behälter für 115 Atemzüge koste bei ihm sieben bis elf Euro. Seine Kunden hätten erzählt, dass sie schon Angebote erhalten hätten, die um ein Vielfaches höher gewesen seien.
Auf die Stimmung schlagen auch Unfälle. Diese Woche starben mehr als 20 beatmete Corona-Erkrankte infolge eines undichten Sauerstofftanks in einem Krankenhaus in der Stadt Nashik. Mindestens 13 weitere starben bei einem Brand auf einer Intensivstation in Virar.
Wie geht es weiter? Auf breite Lockdowns will Premierminister Narendra Modi möglichst verzichten. Denn vor einem Jahr hatte ein harter landesweiter Lockdown zur Massenwanderung von Millionen Wanderarbeitern aus den großen Städten in die Dörfer geführt, weil sie Angst hatten zu verhungern. Sie trugen damit auch das Virus in die Provinz. Doch immerhin scheint das Land beim Impfen Tempo machen zu wollen. Indien möchte Impfstoffe schneller zulassen, die von Arzneimittelbehörden einiger reicherer Länder und der EU schon zugelassen worden sind. Und die "Apotheke der Welt" will etwas fast Undenkbares tun: Impfstoffe importieren.
rechnen bitte!
"...so viele wie in keinem anderen Land der Welt an einem Tag zuvor..."
no na bei einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden (höchstens im vergleich zum ähnlich großen China! - wo aber andere Verhältnisse sind!)
Brechen sie die Zahl der Infektionen also auf die Gesamtbev. herunter
dann ist das schon weniger dramatisch
Kein Wunder bei der Bevölkerungsstruktur dieses Landes, dass die Situation außer Kontrolle gerät: viel zu viele Menschen, Bildung nur in der Oberschicht vorhanden, daher ist anzunehmen, dass Abstand, Hygiene und Masken auch nur dort bekannt sind bzw. eingehalten werden können. Eine Impfung wird es kaum geben und die hygienischen Verhältnisse sind großteils eins Graus!
Europa sollte unbedingt ein Einreiseverbot für Inder erlassen, sonst haben wir auch dann das Problem mit Mutationen aus dieser Region! Das Konzept von Australien und Neuseeland funktioniert ja in diesen Ländern mit generellem Einreisestop sehr überzeugend!
Bei dieser Bevölkerungsdichte des Subkontents wundert mich das nicht; dort wird es noch ein böses erwachen geben.