Stadlingerin huldigt der Eleganz einer Pferdedecke aus der Westmongolei
STADL-PAURA. Seit 1992 ist Kalmückien eine autonome Republik im Süden Russlands. Was aber verbindet Stadl-Paura mit den Kalmücken, die als wildes Reitervolk ihre einstigen Feinde das Fürchten lehrten?
Die Antwort findet sich in den alten Trachten des Schiffervereins, dem sogenannten Kalmuck, und in der Affinität einer Stadlingerin zu diesen Stoffen mit ihrem typischen Muster samt Farbgebung. Regina Lint hat sich in die dicht gewebte und aufgeraute Baumwolle mit den Farben Braun, Schwarz und Rohweiß regelrecht verliebt.
"Ursprünglich hat mich vor allem die Geschichte fasziniert. Wie es möglich war, dass ein Stoffmuster vom Kaspischen Meer bis heute in Österreich zwei unterschiedliche Berufsstände kleidet", sagt die frühere Altenheimleiterin. In den Napoleonischen Kriegen hatten die Kalmücken an der Seite Österreichs gekämpft. Aus zurückgelassenen Satteldecken nach einer Schlacht nähten Winzerfrauen ihren Männern den typischen Wachauer Kalmuck. Dort findet der Stoff auch als Dirndl Verwendung.
Nach Stadl-Paura kam der Kalmuck über die Salzschifffahrt. Die warme Bekleidung der Wachauer Weinbauern hatten die tüchtigen Beförderer des weißen Goldes einfach übernommen.
Kalmuck auch für Frauen
Dass dort der Kalmuck den Männern vorbehalten war, hatte Lint immer gestört. Im Ruhestand und nach einem bösen Sturz mit langer Reha reifte in der kreativen Allrounderin der Entschluss, den Kalmuck für Frauen zu gestalten.
Zunächst wurde die Familie "kalmückisiert", dann waren Freunde und Bekannte an der Reihe und auch deren Hunde, die mit einem neckischen Halsband ausgestattet wurden. Schon seit geraumer Zeit trägt Ehemann Joesi eine fesche Weste. In Zusammenarbeit mit der Lambacher Schneiderin Ingrid Müllner entwirft Lint T-Shirts, modische Accessoires, Heimtextilien und Stoffspielzeug. Man sei aber erst am Anfang, gesteht die Stadlingerin.
Als profitable Geschäftsidee will sie ihre neue Leidenschaft nicht verstanden wissen. "Das wäre zu vermessen, außerdem bin ich keine gute Schneiderin. Vielmehr geht’s mir um ein wichtiges Stück Stadlinger Identität, das ich unter die Leute bringen will."
Zu den frühesten Nutznießern ihres modisch-traditionellen Faibles gehört der Stadlinger Kulturstadtrat Szilard Zimanyi, ein Freund der Familie. Er wurde mit Schal, Krawatte und Hutband aus Kalmuck ausstaffiert, "Szilard hat eine Freude damit und das ist ja auch der Sinn der Sache", betont Regina Lint. Und weil sie auch die Frauen der Stadlinger Salzschiffer vom Schick einer westmongolischen Pferdedecke überzeugen möchte, übernäht sie Knopfleisten auf Blusen mit Kalmuck.
Ihre Stoffe bezieht sie von einem Niederösterreicher, der in Tirol eine Druckerei und Weberei betreibt. "Dafür habe ich bisher zehnmal mehr ausgegeben als eingenommen. Sollte aber meine Kalmuck-Idee richtig einschlagen, müsste ich eine eigene Firma gründen. Derzeit fällt alles unter Kostenersatz." (fam)