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Eine Vorchdorferin im Land der Massai

Von Manuel Tonezzer, 21. Mai 2024, 18:35 Uhr
Eine Vorchdorferin im Land der Massai
Die Siedlung vertraut auch auf Solarpanele, die mitunter beim Pumpen des Wassers helfen.

VORCHDORF. Eigentlich wollte Alice Lugstein nur einen Monat lang in Tansania helfen – sie blieb und gründete eine Familie.

 Als Alice Lugstein ihre Heimatgemeinde Vorchdorf verließ, um sich bei einem Sozialprojekt in Tansania zu engagieren, wusste sie noch nicht, dass sie dort eine neue Heimat finden würde. Inzwischen lebt sie bereits seit mehreren Jahren in dem ostafrikanischen Land – und kann sich ein anderes Leben nicht mehr vorstellen.

Im Alter von 20 Jahren wollte die gebürtige Vorchdorferin die Welt sehen. Als sich ihr die Chance bot, mit Bekannten im ostafrikanischen Staat Tansania in einem Kloster mitzuhelfen, musste sie nicht lange überlegen. Einen Monat wollte sie dort verbringen, um sich um Kinder zu kümmern, im Garten zu helfen und beim Bau einer Unterkunft mitzuwirken. Dass das Land sie nicht loslassen sollte, wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Nach Ende ihrer Zeit im Kloster verbrachte sie noch einen Monat auf der dem Land vorgelagerten Inselgruppe Sansibar – wo sie auf ihren heutigen Mann Koira traf. Er arbeitete neben ihrem Hotel, die beiden kamen ins Gespräch und verstanden sich auf Anhieb. Sie besuchte sein Dorf, lernte seine Familie kennen und verliebte sich in den Mann, der der ostafrikanischen Volksgruppe der Massai angehört. Diese macht in etwa drei Prozent der Bevölkerung Tansanias aus und ist vorwiegend im Norden des Landes beheimatet.

Familie folgt ihr nach Tansania

Nach einer längeren Fernbeziehung und der Hochzeit 2015 fasste sie zwei Jahre später den Entschluss, nach Tansania auszuwandern. Diesen Schritt bereut sie bis heute nicht. "Die Auswanderung war sehr leicht für mich. Ich wurde sehr gut aufgenommen, seine Familie mochte mich auf Anhieb", erzählt Lugstein, die zu Beginn lediglich mit der Sprache zu kämpfen hatte: "Anfangs war das Problem, dass ich kaum etwas verstanden habe und nicht mit den Leuten sprechen konnte." Inzwischen beherrscht sie die Nationalsprache Suaheli, in Maa – der Sprache der Massai – verfügt sie zumindest über Begrüßungsfloskeln. "Mit Suaheli kommt man aber sehr weit, das kann eigentlich jeder", sagt Lugstein.

Ihre Familie hat auf ihre Auswanderung mit viel Verständnis reagiert und sich bei Besuchen so wohlgefühlt, dass sie nun selbst nach Tansania übersiedelt. "Mein Vater lebt seit einem Jahr hier, meine Mutter in Zukunft vermutlich auch", sagt die ehemalige Oberösterreicherin.

An ihrem neuen Wohnort, einer kleinen Siedlung im tansanischen Busch, schätzt die 32-Jährige vor allem den Umgang miteinander. "Die Dorfgemeinschaft ist super. Jeder kennt jeden, und wenn Hilfe benötigt wird, hilft man einander. Es wird zusammengehalten", sagt Lugstein, die gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in einem neu errichteten Haus lebt. "Der Zusammenhalt sowie die generelle Freundlichkeit gefallen mir hier am besten. Die Menschen haben zwar wenig, sind aber trotzdem glücklich", sagt sie.

Für die Liebe musste Lugstein ihren westlichen Lebensstandard aufgeben. Anstatt aus dem Hahn erhält das Dorf sein Wasser durch einen Brunnen sowie Tanks, die Regenwasser speichern. Das Internet funktioniert zwar, Leistung und Geschwindigkeit sind allerdings schwankend. Eine Lebensmittelauswahl wie in österreichischen Supermärkten gibt es in ihrem Zuhause nicht. Tiere stellen für sie kein Problem dar, lediglich Vogelspinnen, Schlangen und Skorpione kreuzen gelegentlich ihren Weg. "Nachts hört man öfters auch eine Hyäne", sagt sie.

Ihr Alltag in Tansania folgt keiner geregelten Struktur. Meistens kümmert sie sich um den Haushalt und ihre beiden Kinder, ab und zu trifft sie sich mit anderen Müttern und verbringt mit ihnen ihre Zeit. Die ältere Tochter der Familie geht bereits das zweite Jahr in die Schule, die für die meisten Kinder schon im Alter zwischen drei und vier Jahren beginnt. Lugsteins Kinder wachsen viersprachig auf, lernen neben Suaheli und Maa auch Deutsch und Englisch.

Auf die Frage, was sie aus Österreich am meisten vermisse, hat die Vorchdorferin eine klare Antwort. "Das umfangreiche Essen", sagt sie. "Deshalb bin ich immer froh, wenn mir Gäste Speisen wie Speck oder Käse mitbringen", fügt sie hinzu. Zuletzt war sie mit ihrer jüngeren Tochter im vergangenen Sommer in ihrer ehemaligen Heimat, in Zukunft könnten sich derartige Besuche aber erschweren. "Wegen der Schule wird das nicht mehr so lange möglich sein", sagt sie. Dazu steht in naher Zukunft ein Umzug an. "Die Regierung plant, eine Schnellstraße durch den Busch und unsere Siedlung zu bauen, weswegen wir wohl von hier wegziehen müssen", sagt Lugstein, die Freunde und Bekannte auf ihren Kanälen in den sozialen Netzwerken an ihrem Leben teilhaben lässt.

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