Hitler-Verherrlichung: Neonazi zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt
RIED/BRAUNAU. Das Urteil wegen Wiederbetätigung des Geschworenengerichts ist noch nicht rechtskräftig.
Wegen drei Verbrechen nach dem Verbotsgesetz musste sich am Dienstag ein 27-jähriger Innviertler vor dem Landesgericht Ried verantworten, die OÖN haben bereits vorab berichtet. Laut Anklägerin Ernestine Heger war der Beschuldigte im August 2015 bei einem "Besuch" von ungarischen Neonazis der Gruppe "Blood and Honour" vor dem Hitlerhaus anwesend. Dabei hat er ein T-Shirt mit der Aufschrift "mit erhobener Stimme nazifiziert" getragen. Das bestreitet der bisher unbescholtene Angeklagte nicht. "Das ist ein Shirt einer Band, ansonsten kann ich dazu nicht viel sagen", so der Innviertler, der während der Befragung durch das Geschworenengericht immer wieder lacht.
Er habe sich vorher bei einem Rechtsanwalt erkundigt, ob das Tragen dieses T-Shirts erlaubt sei. "Und, was hat ihnen der Anwalt gesagt?", will die vorsitzende Richterin Claudia Lechner wissen. "Er hat gesagt, es könnte vielleicht Probleme geben, aber sicher war er sich nicht." Kontakt zu den ungarischen Neonazis habe er, obwohl er einen von ihnen per Handschlag begrüßte, nicht gehabt. "Das war ja eh groß in den Medien, dass sie nach Braunau kommen." Die Sache mit dem T-Shirt sei vielleicht ein Fehler gewesen, meint er. "Vielleicht hätte ich ein anderes anziehen sollen." Auch der Aufforderung eines Beamten des Verfassungsschutzes, das T-Shirt so umzudrehen, dass der Schriftzug nicht mehr lesbar ist, ist er nicht nachgekommen. Er habe damit ein "politisches Zeichen" setzen wollen. Im Nachhinein gesehen sei das, wie auch die Begrüßung des ungarischen Neonazis, eine Dummheit gewesen.Grundsätzlich sei er der Meinung, dass das Verbotsgesetz überzogen sei. Auch vom "staatlichen System" halte er nicht sehr viel.
Eine Aufnahme vom Sommer 2015
Dass die Neonazi-Organisation "Blood and Honour" rechts ist, findet er hingegen nicht. "Das ist eine völlig unpolitische Sache." Seine Gesinnung sei zwar eher rechts gewesen, aber ein Nationalsozialist sei er nie gewesen, behauptet der Beschuldigte, der sehr leise spricht und daher oft nur schwer zu verstehen ist. Er habe sich die Gruppierung Blood and Honour einmal anschauen wollen, daher habe er vor dem Hitlerhaus auf die Ankunft der Leute gewartet.
Laut Anklage soll der 27-Jährige aus dem Bezirk Braunau im April 2014 einen Sticker mit der Aufschrift "NS-Zone, Deutschland Multikulti – wir bleiben braun" in einem Bus-Wartehaus aufgeklebt haben. Fingerabdrücke des Angeklagten wurden auf der Klebefläche des Stickers sichergestellt. Er habe zwischen 50 und 100 dieser Sticker zwar über das Internet bestellt und an drei Personen weitergegeben, aber niemals habe er einen solchen aufgeklebt. "Vielleicht war das Pickerl ja beschädigt, aber ich habe damit nichts zu tun", sagt der Angeklagte, der seine Abnehmer für die einschlägigen Sticker, wenig überraschend, nicht bekanntgeben will: "Das werde ich ihnen nicht sagen, das ist ja logisch", so der Mann mit einem Lachen.
Sticker in einem Bus-Wartehäuschen
Als ihn die Richterin mit vielen einschlägigen Fotos (Hakenkreuze, Adolf Hitler, eine Österreich-Flagge mit integriertem Hakenkreuz, etc.) auf seinem sichergestellten Handy konfrontiert, antwortet der Beschuldigte: "Die Fotos sind aus dem Internet." Außerdem wurden 2015 in der Wohnung des Beschuldigten einschlägige CDs mit Hakenkreuz-Cover sichergestellt.
Neonazistische Kleidung bei Befragung
Zum dritten angeklagten Vorfall ist es im Mai 2016 auf der Polizeiinspektion gekommen. Dort erschien er mit einer Jacke und Umhängetasche mit neonazistischen Aufnähern– unter anderem mit der Aufschrift "88 Crew". Die "88" steht in Neonazi-Kreisen für "Heil Hitler". Die Umhängetasche sei nicht zu sehen gewesen und der Aufnäher auf der Jacke sei "sehr klein gewesen". "Was soll ich da schon großartig dazu sagen", sagt er zum Geschworenengericht. Er habe sich nicht gedacht, dass er deshalb Probleme bekommen würde. "Ich habe mir diese Aufnäher nicht wegen der Aufschrift gekauft, sondern weil sie mir so gut gefallen haben", gibt er zu Protokoll. Jetzt habe er mit der rechten Szene aber nicht mehr viel am Hut. "Ich habe jetzt eine Arbeit, ein Kind, Familie. Probleme mit der Justiz sind für ein Familienleben eher problematisch", so der Angeklagte, der angibt mit gewissen Personen aus der rechten Szene gebrochen zu haben. Es sei zwar nicht alles an der rechten Gesinnung falsch, aber ein Großteil. Seit 2015 habe er mit der rechten Szene nichts mehr zu tun. "Ich habe meine Haltung überdacht und auch die Kleidung entsorgt."
Für die beisitzende Richterin Sonja Hofbauer ist das alles nicht logisch nachvollziehbar: "Das passt doch nicht wirklich zusammen. Warum gehen sie dann mit diesen einschlägigen Aufnähern im Mai 2016 zur Polizei, wenn sie uns heute erzählen, dass Sie sich schon im Sommer 2015 von der rechten Szene distanziert haben wollen?"
In ihrem Schlussplädoyer fordert Anklägerin Heger ein strenges Urteil. "Das ist rechte Gesinnung pur. Ausgerechnet auf dem einen Kleber ist ein Fingerabdruck von ihnen. Ihre Rechtfertigung ist eine reine Schutzbehauptung. Außerdem haben sie sich permanent auf sehr, sehr einschlägigen Foren in Deutschland herumgetrieben", sagt Heger.
Die Verteidigerin des Innviertlers ersucht um ein mildes Urteil. Ihr Mandant habe mit der rechten Szene nichts mehr zu tun, "die Aktion mit dem T-Shirt ist dumm gewesen, aber bei den anderen Vorwürfen fordere ich einen Freispruch."
15 Monate Haft auf Bewährung
Nach rund einstündiger Beratung gibt das Geschworenengericht das Urteil bekannt. Der Beschuldigte wird in allen drei Anklagepunkten mit 8:0-Stimmen schuldig gesprochen. Der 27-Jährige wird zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Der Beschuldigte erbittet Bedenkzeit, die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.
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