Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

"Ich würde sofort wieder im Bergwerk arbeiten"

Von Marina Huber, 12. Dezember 2013, 00:04 Uhr
"Ich würde sofort wieder im Bergwerk arbeiten"
Wassereinbruch im Abbaugebiet Weilhart. Dieser und weitere Rückschläge führten zur Schließung des Bergwerkes. Bild: privat

SANKT PANTALEON. Betroffene erzählen, wie sie die Situation vor 20 Jahren erlebt haben.

Jedes Jahr treffen sich die Bergleute in St. Pantaleon, um ihre Schutzpatronin, die heilige Barbara, zu feiern. Heuer mischt sich unter die Feierlaune auch Wehmut. 20 Jahre ist es her, dass die Salzach-Kohle AG, kurz Sakog, in Trimmelkam geschlossen wurde. 700 bis 800 Leute haben damals ihren Job verloren.

"Wenn jetzt das Telefon läuten und es heißen würde, es geht wieder weiter: Ich würde sofort wieder anfangen, im Bergwerk zu arbeiten", sagt Fritz Renzl aus Moosdorf. 21 Jahre lang hat er im Bergwerk gearbeitet. Nach zwei Jahren "obertags", war 19 Jahre lang sein Arbeitsplatz "untertags", also 100 Meter unter der Erde. Nickend pflichtet ihm sein ehemaliger Arbeitskollege bei. "Das war ein ganz eigener Zusammenhalt. Wir haben uns gegenseitig geholfen und geschaut, dass da unten nichts passiert. Diese Kameradschaft vermisst jeder", sagt Helmut Trappl aus St. Pantaleon. Er war "Hauer", das ist eine Art Bergmann-Geselle, und Partieführer.

Zwei Bergleute erinnern sich

Elektriker Fritz Renzl war in seiner Truppe. Die beiden erinnern sich an jedes noch so kleine Detail. An den einstündigen, unterirdischen Fußmarsch bis zum Abbaugebiet, die schweren Werkzeuge, die sie mitgeschleppt haben, die hohe Luftfeuchtigkeit in der Grube, den Staub, der manchmal die eigene Hand vorm Gesicht unsichtbar machte, und an all die Gefahren. "Ein Kollege wurde von einem Tegelbrocken erschlagen. Tegel war gefährlich, da hast nichts gehört. Wenn Kohle bricht, hört sich das an wie beim Eis", sagt Trappl, der gedanklich in der Vergangenheit schweift: "Jetzt sind wir schon fast wieder unten, gell?", sagt er zu seinem Ex-Kumpel. Die beiden haben gedacht, dass sie ihre Arbeit bis zur Pension machen würden. "Jeder hat gesagt, wennst einen Job bei der Sakog hast, hast einen sicheren Job bis zur Pension", sagt Renzl.

Es war im November 1993, als die letzte Tonne Braunkohle zu Tage gefördert wurde. Hunderte Mitarbeiter haben nach und nach ihre Arbeit verloren, bis das Bergwerk schließlich komplett stillgelegt wurde. "Zum Schluss waren nur noch ich und meine Sekretärin da. Ich habe sozusagen den Schlüssel umgedreht. Das war nicht angenehm", sagt der frühere Bergwerksdirektor Manfred Schönlieb.

Um den Energiebedarf nach dem Krieg zu befriedigen, war Kohle sehr gefragt. Zu Spitzenzeiten um 1957 waren in der Sakog mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigt. Bergleute aus allen Bundesländern, auch aus Slowenien und Ungarn sind nach Trimmelkam gezogen. Um für sie eine Unterkunft zu schaffen, wurde in Riedersbach eine ganze Bergwerkssiedlung gebaut. Anfang der 50er-Jahre hat sich die Einwohnerzahl in der Gemeinde verdoppelt. Doch durch günstige Kohle aus dem Ausland machte die Krise auch vor Trimmelkam nicht halt. Ein Wassereinbruch 1989 war für die Sakog-Eigentümer (Land Oberösterreich, Salzburg und ÖIAG-Bergbauholding) schließlich mit ein Grund, das Bergwerk zu schließen. "Die Stollen waren überflutet, wir haben damals länger als zwei Monate lang keine Kohle abbauen können", sagt Schönlieb.

"Das ist tief reingegangen, tut jetzt noch weh", sagt Franz Kleinhagauer. Er war damals Bürgermeister. "Wir sind mit drei Bussen nach Linz zum damaligen Landeshauptmann und seinem Stellvertreter gefahren. ‚Bergleut, fahrts heim’, haben sie gesagt und uns beruhigt. Auf der Autobahn von Linz nach Salzburg haben wir dann im Radio gehört, dass die Sakog geschlossen wird", erinnert sich der heute 64-Jährige. Sein Vater war Bergmann, er selbst hat 30 Jahre lang in der Siedlung in Riedersbach gewohnt.

Nach der Schließung wurde eine Kohlestiftung gegründet, den Bergleuten wurden Umschulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten. Der Großteil der Belegschaft habe schnell wieder Arbeit gefunden, viele in Burghausen. "Vom Verdienst her waren wir halt schon verwöhnt. Wir hatten unsere 25.000 bis 30.000 Schilling, mussten lediglich 300 Schilling Miete bezahlen und bekamen jährlich Kohle zum Heizen", sagt Trappl.

Eine rote Ära bis 2009

Der Bergbau hat die politische Struktur in der Gemeinde geprägt. Von 1953 bis 2009 hatte die Gemeinde SPÖ-Bürgermeister. Erst seit der vergangenen Wahl 2009 setzte Valentin David (ÖVP) der roten Ära ein Ende. „Bis 1993 ist es uns finanziell sehr gut gegangen. Ab 1994 hatten wir einen Abgang. Der Gemeinde hat damals niemand geholfen, die haben uns alle im Regen stehen lassen“, sagt der damalige Bürgermeister Franz Kleinhagauer. Die befürchtete Abwanderung nach der Schließung habe sich zum Glück in Grenzen gehalten. Heute ist nur noch wenig vom Bergwerk zu sehen. Die beiden Schächte wurden abgetragen und die Gruben zugeschüttet. Nur das Verwaltungsgebäude gibt es noch. Das Gebäude, in dem der frühere Kesselraum und die Bäder für die Bergwerkarbeiter waren, wurde von einem Kulturverein angemietet und ist eine Plattform für junge Musiker.

Sprache der Bergleute

Hauer: Bergmann mit Prüfung, ähnlich wie Geselle
Steiger: Vorgesetzter unter Tage
Alter Mann: einstürzender Teil nach Abbau der Kohle
Vortrieb: Auffahrung einer neuen Strecke zum Abbau
Tegel: Abfallprodukt aus der Kohlegrube
Hunt: Transportwagen für Kohle und Tegel
Mannsfahrt: Ein- bzw. Ausfahren der Bergleute in die Grube
Strebführer: Partieverantwortlicher im Abbau
Ringe: vierteilige Konstruktion zum Abstützen eines Stollens
Ringrauber: Bergmann, der die Ringe nach dem Abbau entfernt

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

2  Kommentare
2  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
( Kommentare)
am 18.12.2013 21:12

hatte der Nachbar auch, der in den Hausruckstollen ewig werkte.
Der Gestank dieser Kohle beim Heizen war nicht ohne, seit dem Wegfall dessen konnte man wieder die Wohnung jederzeit durchlüften. Und Asche fiel en Masse an.
Die Flöze sieht man noch heute an den tiefergehenden Wassergräben, auch abseits der bekannten Abbaustellen.

lädt ...
melden
antworten
Radamanthys (70 Kommentare)
am 12.12.2013 17:56

"Wir sind mit drei Bussen nach Linz zum damaligen Landeshauptmann und seinem Stellvertreter gefahren. ‚Bergleut, fahrts heim’, haben sie gesagt und uns beruhigt. Auf der Autobahn von Linz nach Salzburg haben wir dann im Radio gehört, dass die Sakog geschlossen wird.

Also auch damals haben die Politiker die Bevölkerung schon verarscht.

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen