Ein Verein hilft bei der Suche nach Vermissten

LINZ. Ein Mann wird noch einmal beim Einkaufen gesehen, dann verliert sich seine Spur. Eine zweifache Mutter ist nach einer Nacht bei einem Bekannten wie vom Erdboden verschluckt. Immer wieder verschwinden auch in Oberösterreich Menschen, plötzlich und ohne Anhaltspunkte für die Angehörigen. Manche tauchen recht schnell wieder auf, manche bleiben spurlos verschwunden.

In Oberösterreich galten Anfang April 91 Personen als vermisst. Rund 80 Prozent der abgängigen Personen sind laut Bundeskriminalamt Männer. Innerhalb von nur drei Tagen kamen in der vergangenen Woche zwei neue Vermisstenmeldungen im Bundesland dazu.

Der 55-jährige Hermann S. aus Steyr hatte zuletzt am 6. April Kontakt mit seiner Familie, danach verschwand er. Die täglich benötigten Medikamente befinden sich nach wie vor in seiner Wohnung.

Reinhold G., 44, aus Linz wurde am 8. April zum letzten Mal gesehen, am Dienstag erschien er nicht zur Arbeit. Die Linzerin Christa P. wird seit Monaten vermisst, ihre Familie hat die Hoffnung auf ein Wiedersehen aufgegeben.

Von einem Polizisten gegründet

Fälle wie diese lassen die Angehörigen mit unbeantworteten Fragen zurück. Oft werden sie selber aktiv, posten Suchanzeigen in den sozialen Medien. Die meisten Fälle, in denen Menschen mehrere Tage vermisst werden, landen bei "Österreich findet euch". Der Verein wurde im November 2015 von Christian Mader, einem mittlerweile pensionierten Polizeibeamten aus Wien, gegründet. Er war acht Jahre lang Leiter der Wiener Abgängigkeitsfahndung und ist Autor des Buches "Vermisst – spektakuläre Fälle im Visier der Fahnder". Warum er vor acht Jahren den Verein gegründet hat? "Mich hat das Thema Vermisste und Unterstützung der Angehörigen nicht losgelassen. Ich habe mich gefragt, was kann ich tun, um die Arbeit der Exekutive zu ergänzen. Mach mehr, habe ich mir gesagt", sagt Mader. Die Seite der Polizeiarbeit kenne er gut, doch er wollte etwas darüber hinaus ins Leben rufen, ein Hilfsnetzwerk.

Dass Angehörige erst tagelang warten müssen, ehe sie eine Anzeige erstatten können, sei ein Irrglaube – denn wenn Gefahr im Verzug bestehe, werde immer sofort gehandelt. Maders Leitsatz: besorgte Angehörige immer ernst nehmen. Auch, wenn es sich nur um ein ungutes Gefühl ihrerseits handle, in vielen Fällen stecke etwas dahinter.

Romana Rausch, 53, aus Leonding ist Sektionsleiterin des Vereins für Oberösterreich. Ehrenamtlich, versteht sich. Warum sie diese freiwillige Arbeit, die fordernd und zeitaufwändig ist, neben der als Einsatzleiterin bei den "Rescue Dogs" macht? "Ich bin über die Arbeit mit Rettungshunden, die ich mittlerweile seit 33 Jahren mache, zu ‚Österreich findet euch‘ gekommen. Es fühlte sich einfach sofort richtig an", sagt die Hundetrainerin. Es sei für sie eine Herzensangelegenheit.

Seit fünf Jahren steht sie täglich Angehörigen von Vermissten zur Seite und ist bei Suchaktionen dabei. Angehörige wenden sich an sie, nachdem eine Vermisstenanzeige bei der Polizei gemacht wurde. Die Anzeige bei der Polizei sei wichtig, denn ansonsten trete der Verein nicht in Aktion. Nicht selten rückt Rausch dann mit ihrer Diensthundestaffel aus, um gemeinsam mit Kollegen eine Suchaktion der Polizei zu unterstützen. Auf der Homepage wird ein Vermisstenprofil mit Kurzbeschreibung der vermissten Person, Foto und letztem Aufenthaltsort angelegt.

In den Niederlanden gefunden

"Wir suchen aber auch über eine Vielzahl anderer Kanäle. Über TikTok, Instagram und Facebook haben wir eine enorme Reichweite – vor allem bei Jugendlichen", sagt Rausch. In dieser Gruppe könne man auch die beste Aufklärungsquote verzeichnen: "Viele Jugendliche werden wiedergefunden. Oft ist hier der Grund für das Verschwinden ein Streit oder andere emotionale Gründe." In der Coronazeit wurde ein abgängiger Jugendlicher aus Wels in den Niederlanden aufgespürt, erinnert sich Rausch. Er war in Amsterdam ins Drogenmilieu gerutscht.

"Ein Gefühl der Machtlosigkeit"

An ihrer Tätigkeit schätze sie, den Menschen helfen zu können, sagt die Oberösterreicherin. "Den Familien mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, quasi Tag und Nacht für sie da zu sein, das ist mir wichtig." Nicht selten werde Rausch auch in WhatsApp-Suchgruppen aufgenommen, in denen sie die Expertinnenrolle innehat. "Angehörige fühlen sich manchmal im Stich gelassen mit dem Gefühl der Machtlosigkeit, weil sie ja nicht sehen, wie die Ermittlungen der Polizei im Hintergrund weitergehen." Die Zusammenarbeit mit der oberösterreichischen Polizei sei "extrem gut", lobt die 53-Jährige.