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Von Beamtenadel, Grafen und Fürsten

Von Roman Sandgruber, 21. Juli 2018, 00:04 Uhr
Der Adel ist wie eine große
Schloss Lamberg in Steyr: Einst Herrschaftssitz, jetzt Bundesforst-Besitz Bild: ÖBf

Der Adel war nie eine homogene Gruppe, schreibt Historiker Roman Sandgruber. sondern ein in sich höchst differenziertes Milieu.

14 Cent ist die Verwaltungsstrafe für die Führung eines Adelstitels in Österreich. Im Jahr 1919, als das Adelsverbot beschlossen wurde, waren diese 20.000 Kronen Strafe noch recht viel Geld. Für den Adel war der Zusammenbruch der Habsburgermonarchie und das Ende ihre Privilegien nicht nur eine soziale, sondern auch eine wirtschaftliche Katastrophe. Für den niederen Adel, die vielen kleinen "von", war der Titel weg.

Beim Hochadel, den Starhembergs, Kinskys oder Lambergs, wusste man zwar weiter, wer sie waren. Aber sie verloren nicht nur lukrative, fast erblich verbriefte Stellungen bei Hofe, in der Verwaltung und in der Armee. Die Wirtschaftskrise führte auch viele ihrer Güter an den Rand des Konkurses oder zum Untergang.

Die Lambergs, nach 1918 noch die größten Grundbesitzer im heutigen Österreich, verloren in der Zwischenkriegszeit und nach 1938 fast ihren gesamten Besitz in Steiermark, Niederösterreich, Salzburg und Tirol, insgesamt wohl nahezu 60.000 Hektar, darunter die 30.000 Hektar im oberösterreichischen Ennstal und Hintergebirge. Auch Ernst Rüdiger Starhemberg machte mit seinen Besitzungen Konkurs. Die meisten flüchteten in monarchistische Nostalgie, manche wie Starhemberg und Coreth in die Heimwehr und einige wenige wie Karl Ottmar Lamberg auch in den Nationalsozialismus. Dass er als NSDAP-Mitglied 1942 in Auschwitz ermordet wurde, war die Tragik des verpfuschten Lebens dieses letzten männlichen Anwärters auf das Fideikommiss des bereits im späten 19. Jahrhundert wegen einer groben Mesalliance in den Grafenstand degradierten und wirtschaftlich wie physisch fast verschwundenen ehemals fürstlichen Geschlechts.

Hoheiten und Durchlauchten

De jure gibt es keinen österreichischen Adel mehr, auch wenn bei gesellschaftlichen Anlässen meist nicht vergessen wird, nicht nur die "Landesfürsten" und "Kirchenfürsten", sondern auch die kaiserlichen Hoheiten und durchlauchten Fürsten zu begrüßen. Natürlich lässt sich eine über ein Jahrtausend hinweg herausgebildete Schicht nicht durch ein Titelverbot auslöschen. Manche österreichische Adelsfamilien können ihre Stammbäume bis ins hohe Mittelalter zurückverfolgen. Eine abgeschlossene Gruppe aber war der österreichische Adel nie. Er war europäisch: durch Heirat, Zuwanderung und vielfältige persönliche und politische Kontakte. Und immer wieder sind auch aus dem Bürger- und Bauerntum Leute in den Adel aufgerückt.

Den Adel im Rechtssinn, die Berechtigung zur Führung adeliger Standesmerkmale und Privilegien, Titel und Namensteile, oder Kriterien wie Stifts-, Turnier-, Hof-, Wappen- und Lehensfähigkeit, gibt es nicht mehr. Der Adel als soziales Phänomen hingegen war nie eine exakt definierte oder gar homogene soziale Gruppe. Schon allein die Abstufung der Titel von den Fürsten, Grafen und Freiherren über die Ritter bis zu den simplen "von" macht die Unterschiede deutlich.

Sicher: es gibt ein Milieu mit annährend gleichen Werten und Traditionen, engen Heiratskreisen und kulturellen Codes. Aber in sich war dieses Milieu immer sehr differenziert: der alte, bei Hof eingeführte Adel und der neue, erst im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts dazugekommene Beamten-, Offiziers-, Wissenschafts- und Wirtschaftsadel. Das ergab die paradoxe Situation, dass der Großteil des niederen Adels zwar im rechtlichen Sinn zum Adel gehörte, aber als Adel im sozialen Sinn gar nicht akzeptiert war.

Andererseits werden heute in der Regel auch jene Familien zum Adel gezählt, die streng genommen als souveräne oder ehemals souveräne Häuser über dem Adel standen und eine Heirat mit dem Adel als Mesalliance betrachteten: Sachsen-Coburg-Gotha, Hannover, Schaumburg-Lippe, die spanischen Bourbonen und natürlich die Habsburger.

Der oberösterreichische Adel ist international: spanisch, italienisch, böhmisch, belgisch, auch deutsch. Mehrheitlich ist er heute streng katholisch, während er vor vierhundert Jahren überwiegend evangelisch war.

Aber gibt es überhaupt einen oberösterreichischen Adel? Bis ins frühe 19. Jahrhundert schien das relativ klar: Wer Sitz und Stimme in der Herren- oder in der Ritterkurie der oberösterreichischen Landstände hatte, gehörte dazu. Bedingung dafür war nicht nur der adelige Stammbaum, sondern auch der Besitz eines Landguts, das in der Landtafel als Adelsland ausgewiesen war. Schon die Differenzierung in eine Herren- und Ritterkurie macht klar, dass hier auch innerhalb des Adels ein beträchtliches soziales Gefälle bestand.

Heute ist der Adel ein von außen nahezu unsichtbares Netzwerk. Er ist nicht leicht erkennbar. Nur noch bedingt am Namen, schon gar nicht an etwaigen Doppelnamen. Schlösser haben auch andere. Tracht tragen viele. Eine Eigenjagd ist gut. Doch allzu viel davon hat man nicht. Denn der adelige Grundbesitz umfasste in Oberösterreich ganz anders als in Tschechien oder Ungarn auch vor der Adelsaufhebung nur etwa acht Prozent der land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche, davon mehr als drei Viertel Wald. Vor einigen Jahrzehnten war der Adel in der Wirtschaft, vor allem im Bankensektor noch auffallend präsent - neben traditionellen Bereichen wie der Diplomatie oder dem Heer. Der Rückzug aus der Politik ist nahezu vollständig. Neuzugänge in den Adel wie noch im 19. Jahrhundert gibt es rein rechtlich nicht mehr. Und dennoch spürt man immer noch die mit dem Adel verbundene mediale Faszination und soziokulturelle Tradition.

Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.

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