Ehrenbürger
Scherpon könnte größeres Problem als Hitler sein.
Was haben die südböhmische Stadt Pisek und Amstetten gemeinsam? In beiden ist Adolf Hitler noch immer auf dem Papier Ehrenbürger. Dass die einem solchen Massenmörder erwiesene Ehrerbietung nicht rückgängig gemacht wurde, argumentierte man in Tschechien damit, dass man die ehemaligen peinlichen Anbiederungen an den Diktator in den Ortschroniken nicht übertünchen wollte. Trotz nicht minderer Verabscheuungswürdigkeit hat etwa auch Budweis Stalins Ehrenbürgerschaft bisher nicht widerrufen.
Amstetten wird Hitler nun doch posthum die einstige Würdigung entziehen. Einen Bodensatz, der das Gemeinwesen noch irgendwie mit dem braunen Spuk verbinden würde, gibt es nicht mehr und die Stadt hat sich überdies mehr als viele andere Orte der Vergangenheitsbewältigung gestellt. Hitler nachträglich zu entehren ist lediglich eine Bestätigung, wenngleich ein wichtiges Signal.
Eine brennendere Frage wirft nicht der „Führer“, sondern ein Gefolgsmann Hitlers auf: Paul Scherpon, NS-Landrat (quasi der braune Bezirkshauptmann) und SS-Offizier, saß später für die SP als Vizebürgermeister im Rathaus. Von dem Mann wird überliefert, dass er vor Kriegsende in einem Geheimtreffen Vertreter von SP, VP und KP gesprochen hat, um eine geordnete Übergabe zu organisieren. Wenn die Gestapo Wind bekommen hätte, wäre er wegen Hochverrates gehenkt worden. In einem Rapport an den Reichsstatthalter riet Scherpon wiederum, Juden besser in einem KZ-Lager „ihren Bestimmungen zuzuführen“. Die Stadt legt ihm alljährlich einen Kranz zu Allerheiligen ans Grab. Scherpon ist der nächste tote Ehrenbürger, mit dem sich das Rathaus jetzt unter Beiziehung von Historikern befasst.