Wenn die Angst übermächtig wird
Furchteinflößender Krampus, böse Monster – die Psychologin Marina Gottwald erklärt, wie man mit Kinderängsten richtig umgeht.
Muss man Kindern mit dem Krampus unbedingt einen Schrecken einjagen? Reicht es nicht, wenn der Nikolaus kommt und den Nachwuchs daran erinnert, dass er brav sein soll? Für Eltern mit kleinen Kindern sind diese Fragen Jahr für Jahr ein Thema. In vielen Kindergärten verzichtet man bereits auf den pelzigen Gesellen mit der furchteinflößenden Fratze.
Kinderpsychologen haben jedoch ihre Zweifel, ob es sinnvoll ist, den Krampus als Gegenspieler zum freundlichen und gütigen Nikolaus einfach zu verbannen. So auch Marina Gottwald, Psychologin und Psychotherapeutin am Kepler Universitätsklinikum in Linz. Die OÖNachrichten haben mit ihr über den Krampus und über Kinderängste allgemein gesprochen.
Frau Gottwald, was halten Sie vom Krampus als Kinderschreck?
Grundsätzlich gehört der Krampus zu unserer Kultur und er gehört zum Jahresrhythmus dazu. Als furchterregende Gestalt kann er sogar gute Dienste leisten, wenn es darum geht, Kindern einen gesunden Umgang mit ihren Ängsten beizubringen.
Wie meinen Sie das konkret?
Im Normalfall sind die Eltern dabei, wenn Nikolaus und Krampus kommen. Sie stehen ihren Kindern zur Seite und vermitteln ihnen die Sicherheit, dass nichts passieren kann, obwohl der Krampus furchterregend aussieht. Das ist für die Kinder eine schöne und Vertrauen schaffende Erfahrung.
Und was sollen Eltern tun, wenn sich ihr Kind so fürchtet, dass es davonlaufen will?
In diesem Fall ist es wichtig, dass man das Kind nicht davonlaufen lässt, sondern dass man gemeinsam mit ihm auf Distanz geht und ihm vermittelt, dass die Situation zwar ein wenig schaurig ist, dass aber dennoch keine ernste Gefahr droht. So macht das Kind die Erfahrung, dass es vermeintliche Gefahrensituationen schadlos überstehen kann. Das ist wichtig für das weitere Leben, denn man kann ja nicht immer vor jeder vermeintlichen Gefahr davonlaufen.
Oft werden Nikolaus und Krampus im Vorfeld instruiert, die Kinder zu schimpfen. Was halten Sie davon?
Als Erziehungsverantwortliche sollten Nikolaus und Krampus nicht eingesetzt werden. Das müssen die Eltern schon selbst erledigen. Manche Eltern drohen ihren Kindern das ganze Jahr über, indem sie sagen: "Wenn du nicht aufräumst, kommt im Dezember der Krampus zu dir." Das ist natürlich nicht richtig. Nikolaus und Krampus sind zwar ein Regulativ für Gut und Böse, aber dazu müssen sie gar nicht viel tun. Es reicht schon, wenn der Nikolaus sagt: "Du weißt, dass du manchmal nicht brav warst." Die Kinder reimen sich dann selbst zusammen, was er gemeint haben könnte.
Ist Angst grundsätzlich schlecht?
Nein, Angst ist ein Grundgefühl, das uns vor Gefahrensituationen warnt. Sie kann in bestimmten Situationen lebensrettend sein. Problematisch wird es erst, wenn die Angst nicht zur Situation passt, wenn es also keine große Gefahr gibt, man aber trotzdem panisch reagiert. Dann sollte man sich unbedingt von Profis helfen lassen.
Welche Ängste sind bei Kindern normal?
Bei Kleinkindern sind Trennungsängste ganz normal. Wenn ein Dreijähriger in den Kindergarten kommt, dann muss man sich nicht wundern, wenn er um die Mama oder den Papa weint. Im Volksschulalter sollte es aber keine morgendlichen Trennungsängste mehr geben. In dieser Phase ist dafür die Angst vor Dunkelheit und Monstern unter dem Bett normal.
Welchen Sinn haben diese gewollten Ängste durch den Krampus?
Dass Kinder lernen, mit ihren Ängsten umzugehen und gestärkt aus Situationen hervorgehen, die ihnen auf den ersten Blick fürchterlich erscheinen, sich dann aber als harmlos entpuppen. Es ist eine wichtige Übung, unterscheiden zu lernen, wann es sich um eine ernsthafte Bedrohung handelt und wann nicht. Diesen Zweck erfüllen auch Märchen, die ja auch oft furchterregend sind. Kinder lernen dabei, ihre Angst zu regulieren. Wichtig ist natürlich, dass am Ende immer das Gute siegt.
dabei sind die wirklich grusligen Gestalten die man fürchten kann immer in dunklen Anzügen unterwegs