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Interview: „Man nannte uns die Mängele-Kinder“

Von Daniela Christl, 05. Dezember 2011, 00:04 Uhr
„Man nannte uns die Mängele-Kinder“
Ulrike Schwung nimmt ihre Krankheit gelassen. Bild: Christl

Ein Leben lang Diät halten ist für Ulrike Schwung (42), Kindergartenleiterin in Bad Schallerbach, überlebensnotwendig. Sie leidet an Zöliakie, einer Glutenunverträglichkeit. Was bedeutet, dass schon geringste Spuren von Mehl im Essen starke körperliche Beschwerden auslösen.

OÖN: Wie kam es dazu, dass bei Ihnen Zöliakie festgestellt wurde?

Schwung: Ich war 13 Monate alt und hatte ständig starken Durchfall, Erbrechen – das ging fast bis zum Verhungern. Zuerst wurde es gar nicht erkannt, erst ein Linzer Arzt, der selbst unter Zöliakie litt, hat die richtige Diagnose gestellt. Das war ja damals noch nicht so gängig. Früher nannte man uns die „Mängele-Kinder“, die einfach nicht richtig gedeihen wollten.

OÖN: Sie hatten also ziemliches Glück?

Schwung: Ja, das kann man so sagen. Meine Mutter hatte sich schon fast von mir verabschiedet. Ich war klapperdürr, mit aufgeblähtem, kugeligem Bauch.

OÖN: Wie hat sich Ihr Leben durch die Diagnose verändert?

Schwung: Ich musste ab diesem Zeitpunkt strenge Diät halten, durfte kein Mehl mehr essen. Das war für meine Mutter nicht leicht. Ein Freund der Familie war Bäcker und hat sich erbarmt, extra für mich zu backen, als er das Brot sah, das meine Mutter für mich gemacht hatte.

OÖN: Sie haben aber dann doch wieder angefangen, normal zu essen...?

Schwung: Ja, zwischen fünf und 26 Jahren hab’ ich alles gegessen, weil man früher der Ansicht war, dass sich der Körper nach einiger Zeit wieder langsam an Mehl gewöhnen könne. Das war leider ein Irrglaube. Der Körper kann das zwar eine Zeitlang wegstecken, reagiert aber mit anderen Dingen wie etwa Blähungen, zittrigen Händen und Migräne.

OÖN: Was brachte Sie wieder ins Krankenhaus?

Schwung: Zufällig hörte meine Mutter den Aufruf eines Arztes im Radio, dass Menschen, die je an einer Zöliakie gelitten haben, sich wieder untersuchen lassen müssen. Denn diese sei nicht heilbar. Es wurde eine Biopsie gemacht (Schleimhautprobe des Dünndarms, Anm.). Seitdem halte ich mich an meinen Diätplan.

OÖN: Wie schaut Ihre Diät im Alltag aus?

Schwung: Ich koche extra für mich, habe eigene Nudeln, eigenes Mehl. Ich darf kein Bier trinken, Knödel, Mehlspeisen, Soßen, Pizza – das alles geht nicht, auch bei Süßigkeiten wie etwa Schokolade muss ich aufpassen.

OÖN: Was passiert, wenn Sie doch einmal Spuren von Mehl erwischen?

Schwung: Ich habe innerhalb einer Stunde sehr starke Koliken. Das reicht schon, wenn jemand zum Anbraten ein Stück Fleisch oder Fisch in Mehl wendet. Wenn man ständig mit einer Diät lebt, ist man natürlich besonders empfindlich. Fertignahrung, Zusatzstoffe – ich muss immer nachlesen, was drinnen ist. Das ist jetzt leichter, nachdem alles deklariert werden muss. Früher bin ich bis nach Deutschland gefahren, um geeignete Lebenmittel zu finden.

OÖN: Sie leben demnach sehr gesund?

Schwung: Nein, ich habe zum Beispiel bergeweise Gummibärli daheim.

OÖN: Wie schränkt Sie das Leben mit Zöliakie ein?

Schwung: Im Urlaub wird es oft schwierig – im Hotel, im Restaurant. Zöliakie wird in vielen Ländern belächelt, vor allem im Süden. Ich habe von der Selbsthilfegruppe Österreichische Arbeitsgemeinschaft Zöliakie (www.zoeliakie.or.at) immer einen Zettel dabei, auf dem in allen Sprachen meine Krankheit erklärt wird, aber oft wird es einfach nicht geglaubt. Dann sitze ich wohl oder übel ziemlich oft auf der Toilette.

OÖN: Haben Sie damit gehadert, ein Leben lang auf für andere völlig Normales verzichten zu müssen?

Schwung: Es ist mir nicht schwergefallen, Diät zu halten. Das ist alles eine Kopfgeschichte, nur im Urlaub, wenn meine Familie etwa Pizza essen geht, seh ich mich schon ein bisschen leid.

 

 

Was ist Zöliakie?

„Es handelt sich dabei um eine Erkrankung der Dünndarmschleimhaut aufgrund einer Überempfindlichkeit gegen Bestandteile von Gluten, dem in vielen Getreidesorten vorkommenden Klebereiweiß“, sagt Tina Bräutigam, Allgemeinmedizinerin in Linz mit dem Schwerpunkt Ernährung. Die Krankheit bleibt ein Leben lang bestehen.

Für eine sichere Abklärung sei unbedingt eine Biopsie notwendig. Nach den Ursachen für die Krankheit wird noch geforscht, man geht davon aus, dass ein Teil genetisch bedingt ist. Sie tritt vermehrt im Säuglingsalter bzw. im 3./4. Lebensjahrzehnt auf. „Die Symptome sind oft relativ unspezifisch, deshalb ist Zöliakie nicht leicht zu erkennen“, sagt Bräutigam.

Es gibt unterschiedliche Ausprägungen, von Durchfall, Bauchbeschwerden, einer Gedeihstörung, weil nicht genug Nährstoffe aufgenommen werden, bis zu leichtem Eisenmangel. „Viele sind durch die eingeschränkte Ernährung überfordert“, sagt Bräutigam. „Aber nur durch eine lebenslange glutenfreie Diät kann sich die Schleimhaut wieder erholen.“

Langfristig kann ein Nichterkennen von Zöliakie bis zu bestimmten Krebserkrankungen führen. Die Medizinerin rät, sich umfassend zu informieren, um etwa eine zu einseitige Ernährung zu vermeiden.

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