Das Gwirks mit "frisch", "marktfrisch" und "hausgemacht"
Es gibt Anmerkungen auf Speisekarten, bei denen bei Genießern die Alarmstufe rot blinkt. Eine davon ist "frische Austern". "Heute Austern" wäre angebracht. Denn die kann man nur tagesfrisch genießen.
In Zeiten von Fertiggerichten und Gastro-Lieferdiensten, die tiefgekühlte Semmelknödel bringen, die als "handgeformt" verkauft werden, ist weitergehende Skepsis angebracht. Vom Kaspressknödl über Spinatstrudel bis zur Sacherschnitte: alles kann fertig bestellt werden. Sogar die Modeerscheinung "pulled pork", also zerfetzten Schweinebraten, der gerne im Semmerl gegessen wird, kann fertig zugekauft werden. Zu dieser trendigen Darreichungsform von Fleisch, die aus dem Angelsächischen kommt, eine Anmerkung: Würden wir daheim Fleisch gegen jede Küchenregel so schneiden, dass es in lange Fasern zerfällt, würde man dies mit Recht als "Verhunzen" bezeichnen.
Nun zum Apfelstrudel, der in manchen Lokalen extra als hausgemacht ausgelobt wird. Welch’ ein Gwirks. Selbst gemacht müsste im Apfelland Oberösterreich und im Strudelstaat Österreich eigentlich selbstverständlich sein.
Mit dem "marktfrischen" Gemüse ist es auch so eine Sache. Dieser Begriff suggeriert, dass der Küchenchef höchstpersönlich fröhlich pfeifend früh morgens zum Markt fährt, um umsichtig das frischeste und beste Gemüse aufzuspüren. In Wahrheit fährt der Lieferdienst vor. Im besten Falle, wir wollen es hoffen, kommt er aus den Eferdinger Landen, wo unsere verehrten Gemüsebauern sitzen.
Manchmal aber ist ein Koch besonders schlau und führt den Wirt an der Nase herum. Ich kenne ein Gasthaus, in dem die Vorgabe des Hausgemachten herrscht. Was tat der Koch? Er bestellte für den Apfelstrudel Tiefkühlteig und tiefgekühlte, fertig geschnittene und karamellisierte Apfelspalten. Aber nicht lange. Denn "hausgemacht" schmeckt man. Jetzt schnippelt er wieder.
Die Kolumne schreiben abwechselnd Karin Haas und Philipp Braun, das Genussteam der OÖNachrichten.