Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Wie Nationalismus die Vernunft vernichtet

Von Christian Schacherreiter, 27. August 2019, 00:04 Uhr
Wie Nationalismus die Vernunft vernichtet
Der 75-jährige Pollack ist Aufklärer im besten Sinn des Wortes. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Literatur: Mit "Die Frau ohne Grab" ist dem Schriftsteller Martin Pollack aufs Neue ein Meisterwerk gelungen

Ein Buch über eine längst verstorbene Großtante zu schreiben, über die man recht wenig weiß, ist sicher nicht naheliegend. Dennoch hat sich Martin Pollack dazu entschlossen, und das Ergebnis gibt ihm Recht. Mit "Die Frau ohne Grab" ist diesem Experten für literarische Formen zwischen Geschichtsschreibung und Erzählprosa wieder ein Meisterwerk gelungen, das fesselt und sehr nachdenklich macht.

Martin Pollacks Großtante Pauline, geboren 1875, verbrachte ihr ganzes unauffälliges Leben in Tüffer (slowenisch: Lako), einem Dorf in der untersteirischen Grenzregion, teils deutschsprachig, teils slowenisch. Im Mai 1945 wurde die siebzigjährige Frau von einem jungen jugoslawischen Partisanen arretiert und in das gefürchtete Lager Hrastovec gebracht, wo sie im August an den Folgen der Haft starb. Sie, die mit einem Slowenen verheiratet war und niemals jemandem etwas zuleide getan hatte, wurde zum unschuldigen Opfer jener politischen Katastrophen, die im verbissenen Nationalismus des 19. Jahrhunderts ihren Ursprung haben.

Aufklärer im besten Sinn

Martin Pollack ist ein Aufklärer im besten Sinn des Wortes. Präzise Recherche, klare Formulierung und vorsichtige, die eigene Sichtweise relativierende Hypothesenbildung sind die Ingredienzien seiner Darstellung. Er erläutert Paulines Schicksal im Kontext der Familiengeschichte, die auch politische Geschichte ist. Martin Pollacks Großvater Rudolf und dessen jüngerer Bruder Ernst waren verbissene Nationalsozialisten und blieben es auch in der Zweiten Republik. Die Söhne folgten dem Beispiel ihrer Väter. Über seinen Vater, den SS-Sturmbannführer Gerhard Bast, schrieb Martin Pollack das Buch "Der Tote im Bunker" (2004). Die deutschsprachige Minderheit demonstrierte bis zum Jahr 1918 in der Untersteiermark ihr Herrenmenschentum und erhielt 1919 postwendend die Rechnung dafür präsentiert, als nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreichs das Vereinigte Königreich der Slowenen, Kroaten und Serben gegründet wurde. Das nationalistische Gift wirkte weiter, auch innerhalb der jugoslawischen Nationalitäten. Als Hitler 1941 seine Truppen in Jugoslawien einmarschieren ließ, terrorisierten sie die slowenische Bevölkerung, die sich ihrerseits durch Partisanenaktionen zur Wehr setzte. Und als im Mai 1945 der Krieg zu Ende war, stand alles Deutsche unter Generalverdacht. Tante Pauline zahlte für die Verbrechen anderer. Ihre Nazi-Brüder überlebten und gingen in der Republik Österreich weitgehend ungestört ihren Anwaltskarrieren nach. Wenn man die letzte Seite von "Die Frau ohne Grab" gelesen hat, nimmt man das Wort Gerechtigkeit nur mehr ungern und mit bitterem Beigeschmack in den Mund. Die Gewaltspirale des Nationalismus vernichtet Vernunft und Mitmenschlichkeit.

Martin Pollack: "Die Frau ohne Grab. Bericht über meine Tante", Zsolnay, 180 Seiten, 22,70 Euro.

OÖN Bewertung:

Veranstaltungshinweis: Buchpräsentation und Lesung mit Martin Pollack. Stifterhaus Linz, 12.9.2019, 19.30 Uhr

 

mehr aus Kultur

Ein Amadeus in Gold von VdB an HvG

Stelzer: "In der Kultur kommt Oberösterreich beim Bund zu kurz"

Großes Kino: Penelope Cruz wird 50

Das Theater Phönix zeigt den Klassiker "Cyrano de Bergerac"

Autor
Christian Schacherreiter
Christian Schacherrreiter
Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen