Kopfhörer #102: Buben, die lässig wie Lou Reed sind
Wer Lou Reed übersetzt, die Geschichten aus New York nach Wien bringt, der muss wahnsinnig oder genial sein. Die Buben im Pelz sind Letzteres.
Wir haben uns Stück für Stück an so ein großes Erbe, an jemanden wie Lou Reed herangetastet“, sagt Christian Fuchs, zusammen mit David Pfister Gründungsmitglied der Band „Die Buben im Pelz“. Und es war auch kein Neuland für ihn und seine Mitstreiter, denn Übersetzungen von Songs von Lou Reed über Nick Cave bis Johnny Cash finden sich in der musikalischen Vita der Musiker. „Verwandler“, das aktuelle Album zum zehnten Todestag von Lou Reed, war so gesehen gewohntes Terrain und doch ein wenig anders. Anders war diesmal auch, dass es eine Auftragsarbeit war.
Nach dem Debütalbum vor acht Jahren hatten sich Die Buben im Pelz von Coverversionen verabschiedet, zwei Alben mit eigenen Songs gemacht, als der Auftrag des Plattenlabels Konkord kam, ob sich Fuchs, Pfister & Co nicht noch einmal dem Thema Lou Reed widmen wollten. „Am Anfang waren wir skeptisch, aber es war dann reizvoll, es noch einmal zu wagen“, erzählt Fuchs im OÖN-Gespräch. Als Journalist sei er es gewohnt, mit Deadlines und Aufträgen zu arbeiten. „Diese Einschränkung war sozusagen die Herausforderung, wobei uns schnell klar war, dass wir diesmal nicht ein gesamtes Album und auch nicht Velvet Underground pur covern werden, sondern wir uns Lou Reed nähern wollen.“
Bei Reed ging es immer um Transformation, weswegen das Album auch „Verwandler“ heißt. „Es ging ihm um diese Verwandlung, sich Freiheiten außerhalb gesellschaftlicher Normen zu erkämpfen“, spricht Fuchs aus, was ihn am Giganten der Rockmusik fasziniert. Das Spannende bezieht sich auf das Werk, weniger auf die Person als Autor. Aber: „An Lou Reed könnte man Coolness definieren wie auch den Rock ’n’ Roll, der mit dieser Lässigkeit zu tun hat.“ Was Fuchs damit meint: Lou Reed habe dramatische Geschichten, auch über seine eigene Heroinsucht, irrsinnig lakonisch und cool erzählen können. Er habe erzählt und nicht gebrüllt.
Für Christian Fuchs ist es dieser Verwandlungsaspekt, der ihn immer in der Popkultur fasziniert habe, wie er sagt. Dies gelte auch für ihn selbst. "Ich gehöre nicht zu einer Minorität, bin nicht am Rande der Gesellschaft, sondern sehr bürgerlich aufgewachsen, aber doch, sozusagen als Außenseiter auf dem Land. Mir hat die Popkultur auch ein anderes Leben ermöglicht. Ich habe mich irgendwann von meiner bürgerlichen Mittelschüler-Person als Jugendlicher verabschiedet und habe mich selbst mehrfach erfunden, sage ich jetzt einmal. Das ist undramatisch im Vergleich zu Lou Reed. Die Popkultur war für mich, der ich am Land aufgewachsen bin, die weite Welt. Dieser Aspekt ist bei Lou Reed zentral, wobei es um sehr radikale Dinge geht."
Glanzstück "Die Wüdn"
Diese Geschichten in ihrer Lässigkeit aus dem New York der 1960er- und 1970er-Jahre nach Wien zu transferieren, ist den Buben im Pelz auf „Verwandler“ in grandioser Weise gelungen. „I pick fest an dir“ ist die Liebeserklärung, die rührt. „Alles löst sich auf“ stellt die Frage, was denn wäre, wenn man noch einmal beginnen würde. Und „Die Wüdn“ ist der Beweis, dass man ein No-Go, nämlich Reeds einzigen Mainstream-Hit „Walk on the Wild Side“, ignorieren kann, wenn man die Geschichte so erzählt, dass man das Original fast vergisst. Gelungen!
Sich an Lou Reed und seine Texte heranzuwagen, brauchte den Reiz. "Ich schreibe Songs gerne slogenartig und bewusst plakativ. Normalerweise erzähle ich in meinen Songs keine Geschichten, wie es Lou Reed tut, aber in diesem Kontext habe ich das schon gemacht, diese kleinen New Yorker Anekdoten aus der Subkultur nach Wien übertragen. Diese Figuren mit relativ wenig Sätzen und Worten zu erschaffen, das fand ich spannend."
Mit "Verwandler" hat die Band es geschafft, die Songs von Lou Reed in eine andere Sprache, an einen anderen Ort zur transformieren und das Gefühl in die Lebenswelt des Hörers zu bringen. "Diese Übertragung ist extrem wichtig", sagt Fuchs. "Was wir nicht versuchen, ist mit der Härte, die Lou Reed hat, zu posen. Das nachzuahmen, wäre lächerlich. Aber wir versuchen es, an das Wienerische anzupassen."
Die Buben im Pelz "Verwandler" (Konkord)
"Just a perfect day
Drink Sangria in the park
And then later, when it gets dark
We go home"
Dieser Song von Lou Reed wird immer in meinem Herzen sein als eine Erinnerung an einen Abend in Amsterdam 1975. Selige Tramperzeit, lange vergangen und wohl auch ein wenig verklärt.