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Die Sphinx von Pjöngjang

Von Clemens Schuhmann, 07. November 2020, 00:04 Uhr
Die Sphinx von Pjöngjang
Perfekte Inszenierung der nordkoreanischen Propaganda: Kim Jong-un überwacht einen Raketenstart. Bild: APA/AFP

Seltene Einblicke in das nordkoreanische Regime: Der ehemaligen CIA-Analystin Jung H. Pak gelingt eine bemerkenswerte Annäherung an den ebenso jungen wie mysteriösen Diktator Kim Jong-un.

Kim Jong-un hat Ende Dezember 2011 im streng abgeschotteten Nordkorea die Macht übernommen – und damit setzt er die Kim-Dynastie fort. Um das Überleben des politischen Systems zu sichern und um dem Familien-Clan inklusive Günstlingen und Hofschranzen die absolute Macht zu garantieren, orientierte sich der Jung-Diktator an der blutigen Familientradition.

Es gab Säuberungen, Hinrichtungen, Degradierungen, Verhaftungen, Absetzungen und Verbannungen. Dank der stalinistischen Rezepte, die schon der von Kim Jong-un verehrte Großvater und Staatsgründer Kim Il-sung verwendete, sitzt der junge, gut genährte Herrscher fest im Sattel.

Damit ist das eingetreten, was die zahlreichen, vermeintlichen und selbsternannten Nordkorea-Auguren 2011 nicht für möglich hielten: Das Regime ist gefestigt, Kim Jong-un ist unumschränkter Herrscher, die Propaganda-Maschinerie arbeitet auf Hochtouren – und mittlerweile kann man auch sagen, dass Nordkorea eine Atommacht ist. Und damit ist das Land ein wichtiger, ernstzunehmender Akteur auf der Weltbühne.

Das Unterschätzen ist gefährlich

Es wäre daher brandgefährlich, den Diktator als Trottel, Clown, Riesenbaby oder "Little Rocket Man" (Copyright Donald Trump) abzutun. Die internationale Gemeinschaft wird mit ihm und vor allem den Nuklearwaffen leben müssen – ob man will oder nicht.

Daher sollte man wissen, wie Kim tickt und wie er sozialisiert wurde. Schwierig in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass sich die Sphinx von Pjöngjang bewusst abschottet. Hinausposaunt wird nur, was der Außen- und Selbstdarstellung nützt. Unabhängige Berichte sind nicht verfügbar.

Umso wichtiger sind daher Personen wie Jung H. Pak. Die frühere Nordkorea-Analystin des US-Geheimdienstes CIA hat sich während der Obama-Präsidentschaft jahrelang nur mit Nordkorea befasst – für sie "das härteste Ziel von allen", wie sie in ihrem aktuellen Buch "Kim Jong-un" schreibt.

Es ist ein wahrer Glücksfall, dass uns die US-Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln an ihrem umfangreichen Wissen teilhaben lässt. Das 415 Seiten starke Buch strotzt nur so vor Fakten – und es führt uns direkt ins Machtzentrum in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang. Soweit das eben möglich ist.

Nie mit Schaum vorm Mund

Hoch anzurechnen ist der Autorin, dass sie niemals mit Schaum vorm Mund schreibt, obwohl sie ebenso nie ein Hehl aus ihrer Abscheu vor diesem menschenverachtenden Regime macht. Sie analysiert und schreibt in ruhigem, sachlichem Ton. Schonungslos legt Jung H. Pak offen, wie Donald Trump geglaubt hat, so mir nichts dir nichts einen "Deal" mit Kim abschließen zu können. Der US-Präsident hatte sich ja vor dem Gipfeltreffen 2018 in Singapur nicht wirklich vorbereitet – und sich mit diesem Versäumnis sogar noch öffentlich gebrüstet.

Heiße Luft statt "Deal" mit Kim

Und dann kam, was kommen musste: Vom berühmten "Deal" blieb bestenfalls heiße Luft, dafür ist Trump Kim prompt in die Falle getappt: Der Nordkoreaner wurde durch das mit Spannung erwartete Treffen international aufgewertet. Und das zu diesem Zeitpunkt sehr harte Sanktionsregime wurde unterlaufen.

Den plötzlichen Richtungswechsel Pjöngjangs von aggressiver Kriegsrhetorik in Richtung Diplomatie begründet die Autorin so: "Der Schwenk zielt auch darauf ab, die Durchführung von Sanktionen zu verhindern oder wenigstens zu erschweren, internationale Forderungen nach Achtung der Menschenrechte zurückzudrängen und Zeit zu gewinnen, um die eigenen strategischen Kapazitäten auszubauen." Und Kims bester Verbündeter bei diesem Vorhaben war bis dato niemand Geringerer als Donald Trump.

Fazit: Dieses sehr lesenswerte Buch ist eine wohltuende Mischung aus historischem Abriss der Kim-Dynastie und einer Annäherung an den Diktator Kim Jong-un. Und wichtig ist der Appell der Autorin, den starken Mann von Pjöngjang ja nicht zu unterschätzen. Man kann dieses Buch ohne Übertreibung als Standardwerk in Sachen Nordkorea bezeichnen.

Jung H. Pak "Kim Jong-un", Dumont Verlag, 415 Seiten, 24,70 Euro

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