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"Bei Verbrechen sind Frauen nicht zimperlicher als Männer"

Von Peter Grubmüller, 09. November 2020, 00:04 Uhr
"Bei Verbrechen sind Frauen nicht zimperlicher als Männer"
Mathilde Schwabeneder heute auf www.jku.at/kepler-salon Bild: Harald Eisenberger

Kepler Salon Online: Mathilde Schwabeneder, die ehemalige Italien-Korrespondentin des ORF, präsentiert heute (19.30 Uhr) ihr Buch über den Kampf von Frauen gegen die Mafia.

Chronistinnen der Gewalt, Journalistinnen, Ehefrauen von Paten – sie alle hat Mathilde Schwabeneder für ihr soeben erschienenes Buch "Sie packen aus. Frauen im Kampf gegen die Mafia" eindrucksvoll porträtiert. Heute stellt die in Wels aufgewachsene ORF-Journalistin, die seit Sommer in Pension ist, den Band im Kepler-Salon-Online vor.

OÖN: Nach Ihrem Buch "Die Stunde der Patinnen" ist es Ihre zweite Beschäftigung mit Frauen im Zusammenhang mit der Mafia. Was interessiert Sie an der weiblichen Rolle in kriminellen Organisationen?

Mathilde Schwabeneder: Dieses Interesse war meiner Berufung nach Rom als Leiterin des ORF-Büros geschuldet. Als ich diese Funktion übernommen hatte, wurde zwei, drei Wochen später ein mächtiger Mafiaboss gefasst. Bei der Beschäftigung mit dieser Materie habe ich festgestellt, dass immer mehr Namen von Frauen aufgetaucht sind – es wurden immer mehr Frauen verhaftet, wodurch sie an die Öffentlichkeit gelangt sind. Ich wollte überprüfen, welche Funktion Frauen in der Mafia spielen – abseits vom Klischee der schwarzen Witwe, die klagend vor dem Sarg ihres ermordeten Mannes steht. Ich wollte wissen, welche Frauen es sind, die in diesen Familienverbänden längst wichtige Rollen spielen.

In Mafia-Büchern und -Filmen ist so gut wie immer vom männlichen Paten die Rede, der männliche Killer beauftragt. Wann hat sich die Rolle der Frau in der Mafia verändert?

Im gesamten 20. Jahrhundert hat es immer wieder Frauen gegeben, die führende Rollen in diesen Strukturen gespielt haben. In meinem ersten Buch beschreibe ich auch die Königin von Gangi. Gangi ist eine kleine Gemeinde in Sizilien, dieser Ort musste von der Polizei wie bei einem Eroberungskampf richtiggehend eingenommen werden. Deutlich sichtbar wird es ab den 90er-Jahren, als viele Männer wegen Rivalitäten ermordet oder von der Justiz verurteilt wurden. Von da an sind die Frauen stärker in den Vordergrund getreten. Sie wurden von ihren Brüdern und Männern für die Rolle des Bosses ausgesucht.

Sie haben viele Kronzeuginnen und Justiz-Kollaborateurinnen interviewt. Eine davon lebte 27 Jahre lang im Verborgenen. Wie haben Sie sich diesen Frauen angenähert?

Ich selbst und meine Daten wurden regelmäßig durchleuchtet. Sofern es bewilligt worden war, musste man sich an einem Ort treffen, der für einen Tag X mitgeteilt wurde. Bei manchen Justiz-Kollaborateurinnen wird diesem Wunsch nach einem Gespräch gar nicht mehr stattgegeben. Im von Ihnen angesprochenen Fall Piera Aiellos war es leichter, weil sie ins Parlament gewählt wurde. Aber auch bei ihr hat es gedauert, anfangs saß sie ja noch gesichtslos im Parlament. Ihre Identität lüftete sich erst nach und nach.

Wurden Sie auch persönlich mit der Mafia konfrontiert?

Ich wurde nie bedroht, aber man merkt schon, wenn man Grenzen nahe kommt. So hat zum Beispiel die Anwältin einer Betroffenen verlangt, dass mein erstes Buch nicht ins Italienische übersetzt wird.

Es heißt, die Welt wäre mit mehr Frauen an der Macht ein besserer Ort. Stimmen Sie dieser These nach Ihren Recherchen zu?

Nein. Bei Verbrechen sind Frauen nicht zimperlicher als Männer. Ich denke etwa daran, dass Mütter ihre eigenen Kinder zum Abschuss freigaben, nur weil diese den Mafia-Clan verlassen wollten. Das ist der Gipfel der Unmenschlichkeit. Wenn es um die Abwicklung von Wirtschaftsverbrechen geht, sind Frauen mitunter sogar die besseren Mafiosi, weil sie unverdächtiger sind, dubiose Geschäfte abzuwickeln.

Wie verästelt ist die Mafia in ganz Europa?

Es gibt Semester-Berichte der obersten Anti-Mafia-Behörde Italiens – und im letzten Bericht sind 15 europäische Staaten angeführt, in denen die italienische Mafia nachweislich tätig ist. Deutschland, die Schweiz und Österreich sind auch dabei. Man kann davon ausgehen, dass die Mafia überall auf der Welt Einfluss hat.

Wie werkt die Mafia in Österreich?

Österreich wird immer erwähnt, wenn es um Geldwäsche geht. Es wird versucht, in Österreich Geld aus Drogen- und Waffenhandel zu investieren. Das geschieht über den Finanzsektor vor allem im Immobilienbereich, aber auch im Glücksspiel.

Kepler Salon Online

Mathilde Schwabeneder spricht heute auch mit Laura Gavani, der deutsch-italienischen Senatorin im italienischen Parlament. 2007 gründete sie mit Gastronomen in Berlin die Initiative „Mafia? Nein danke!“, wodurch es zur größten Rebellion gegen Schutzgelderpressung außerhalb Italiens kam.

M. Schwabeneder: „Sie packen aus – Frauen im Kampf gegen die Mafia“, Molden, 192 Seiten, 23 Euro.

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Autor
Peter Grubmüller
Ressortleiter Kultur
Peter Grubmüller

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