Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Glanz und Elend der Eliten

Von Christian Schacherreiter, 05. Oktober 2019, 00:04 Uhr
Glanz und Elend der Eliten
Lisa Herzog (TU München) erhielt den heurigen Essay-Preis "Tractatus" Bild: Florian Lechner

Beim 23. Philosophicum Lech widmete man sich dem Thema "Die Werte der wenigen. Eliten und Demokratie".

Früher war zwar nicht alles besser, aber vieles einfacher, zum Beispiel die Zugehörigkeit zur Elite. Prinz und Prinzessin waren geadelt durch bloße Geburt und leiteten daraus Privilegien mannigfacher Art ab, unter anderem das Vorrecht, unter sich zu bleiben. Die Furcht, sich unter dem eigenen Standesniveau fortzupflanzen, legte die Verheiratung in der eigenen Verwandtschaft nahe – mit den bekannten Folgen. Auch so können sich Eliten selbst beschädigen.

Einen anderen Modus der Elitenrekrutierung ließ sich die Geistlichkeit einfallen. Gott selbst wählt unter den Berufenen die Berufensten. Umstritten blieb allerdings, welche Zeichen der Gnade darauf hinweisen, dass sich ein Mensch der spirituellen Elite zuordnen darf. Auf einer ziemlich schrägen Verknüpfung von aristokratischem Stolz und göttlicher Erwählung, von Inzest und Erlösung, beruht die mittelalterliche Legende vom heiligen Gregorius, die Michael Köhlmeier am traditionellen "Vorabend" des Philosophicums publikumswirksam erzählte und Konrad Paul Liessmann weise interpretierte.

Es waren natürlich intellektuelle Eliten, die mit der Idee der Gleichheit aller Menschen traditionelle soziale Barrieren wegräumten und das Tor zur Demokratisierung aufstießen. Damit war aber das Thema Elite nicht erledigt. Auch in einer Gesellschaft von Gleichgestellten entstehen soziale und kulturelle Unterschiede – und zwar durchaus nicht nur zum Nachteil der Menschen, denn alle Visionen völliger Gleichheit sind bislang im politischen Fiasko versunken. In seinem erhellenden Einführungsvortrag skizzierte Konrad Paul Liessmann, der Spiritus Rector des Philosophicums, elementare Aspekte der Elitenbildung, an denen sich eine moderne Gesellschaft abarbeitet. In zehn weiteren Vorträgen wurden Teilaspekte des Themas gründlich beleuchtet.

Ein selbstbewusstes Bürgertum fegte die aristokratischen Privilegien weg, indem es an die Stelle der Geburt die Leistung setzte. "Meritokratie" nennt sich dieses Konzept: Die Tüchtigen und Verdienstvollen setzen sich durch, haben Erfolg, besetzen als "Funktionseliten" Führungspositionen und verdienen daher aus guten Gründen gutes Geld. Dass es so einfach nicht ist, machte Lisa Herzog (TU München) plausibel, die in diesem Jahr den Essay-Preis "Tractatus" erhielt.

Das Kriterium, nach dem der beste Marathonläufer ermittelt wird, ist die messbare Zeit. Aber wer ist der beste Arzt, die beste Abteilungsleiterin – oder gar der beste Politiker? Die politische Elite wird in Demokratien nicht aufgrund von Berufsbiografien und Kompetenzprofilen ermittelt, sondern durch das allgemeine, gleiche Wahlrecht. Da es weder für Wählende noch für Gewählte objektive Kompetenzkriterien gibt, kommen bisweilen Entscheidungen zustande, die demokratiepolitisch korrekt sind, aber von Andersdenkenden für eine wahre Katastrophe gehalten werden.

Alternative Lottokratie?

Was wäre aber die Alternative zur repräsentativen Demokratie, fragte Jan-Werner Müller (Universität Princeton), eine "Expertenregierung" oder gar eine "Lottokratie", in der Führungspositionen per Los vergeben werden? Was immer wir versuchen, zu diesem Ergebnis kam Müller, das ideale System ohne Schwachstelle gebe es nicht. Im Sinne von Winston Churchill mag Demokratie "die schlechteste Staatsform" sein, "abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."

Eine kritische Analyse der kulturellen Eliten von heute lieferte der Philosoph und Journalist Alexander Grau. Soziologisch sind sie vor allem im IT-Bereich, in NGOs, im Kultur- und Medienbetrieb verankert. Sie machen 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung aus, ihre Entstehung steht in direktem Zusammenhang mit der Globalisierung, und sie definieren sich über Werte wie Offenheit, Flexibilität, Pluralität, Kreativität, Kosmopolitismus. Sie betrachten ihr Weltbild als das fortgeschrittenste. Soll die Welt gut werden, dann müssen sich ihre Werte durchsetzen. Grau nennt dieses Ansinnen eine "Kulturrevolution von oben", die den kleinbürgerlichen Traditionalismus, den Wunsch nach Homogenität und Heimat als provinzielles, reaktionäres Gedankengut verurteilt. Daher kommt die politische Elitenkritik heute oft von rechts, nicht von links.

Die kulturellen Eliten, von denen Alexander Grau sprach, sind nicht identisch mit den Finanzeliten, denen Michael Hartmann (TU Darmstadt) und Christian Neuhäuser (TU Dortmund) kritische Betrachtungen widmeten. Der Unwille der Finanzoligarchie, ihren materiellen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, führe zur Spaltung und gefährde die Identifikation der abgehängten Bürger mit einer Demokratie, von der sie keine soziale Gerechtigkeit mehr erwarten. Wie viel man den Superreichen abnehmen könne, ohne den sozialen Frieden von der anderen Seite her zu gefährden, darüber waren sich selbst Neuhäuser und Hartmann nicht einig. Die optimale Lösung gibt es wohl nicht, aber eine Einsicht: Ohne Eliten geht es nicht, aber die Gesellschaft darf und soll sie in die Pflicht nehmen, sozial- und demokratiepolitisch.

mehr aus Kultur

Stelzer: "In der Kultur kommt Oberösterreich beim Bund zu kurz"

Happy Birthday, SpongeBob! Ein Schwamm wird 25

Amadeus Awards: Salzkammergut räumt ab

"Challengers": Ein sexy Sportfilm ohne finalen Höhepunkt

Autor
Christian Schacherreiter
Christian Schacherrreiter
Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

4  Kommentare
4  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Gugelbua (31.937 Kommentare)
am 07.10.2019 11:43

der Mensch als einzelner mag klug sein doch in der Masse wird er dumm und fällt seit tausenden von Jahren immer wieder auf die gleichen Sprüche herein

lädt ...
melden
PippilottaOma (1.219 Kommentare)
am 06.10.2019 21:30

Politik ist die Kunst,
von den Reichen das Geld und
von den Armen die Stimme
zu bekommen -
beides unter dem Vorwand,
die einen vor den anderen
schützen zu wollen.

lädt ...
melden
Harbachoed-Karl (17.883 Kommentare)
am 07.10.2019 02:49

Das heißt, du mußt als Politiker verhindert werden.

lädt ...
melden
jago (57.723 Kommentare)
am 06.10.2019 18:41

Das ZUM RUDEL DAZU GEHÖREN funktioniert mit dem ANHIMMELN nach oben am leichtesten.

Aus den Anhimmlern lässt sich leicht ein Rudel von Hassern machen, gegen die, die nicht zum Rudel gehören. Können oder wollen.

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen