"Eine Klimawende gibt es nur, wenn es auch eine ökosoziale Wende ist"

Christina Jaritsch leitet die Kulturhauptstadt-Projekte Ökologie, Landwirtschaft, Soziales.
Zwischenräume interessieren Christina Jaritsch (29), besonders jener zwischen Stadt und Land. "Dieses Rurbane, diese Mischung aus urban und rural, aus ländlichen und städtischen Elementen, ist das große Potenzial im Salzkammergut", sagt die Ebenseerin. 2019 hat sie an der Uni Wien ihren Master in Politikwissenschaft abgeschlossen, mit einer Arbeit über die Abwanderung von Frauen aus dem ländlichen Raum.
Sie selbst ist – nach Studienaufenthalten in Nancy, Havanna und Wien – in ihren Heimatort zurückgekehrt. Nicht zuletzt, um für die Kulturhauptstadt "Salzkammergut 2024" die Bereiche Ökologie, Landwirtschaft und Soziales zu kuratieren. "Ich habe die grünen Themen inne: Ökologie, Klimawandel, Klimawende und -politik, transdisziplinäre Zukunftsstrategien, Landwirtschaft von morgen, aber auch soziale Themen wie Diversität. Für mich ist das kein Widerspruch, sondern eins. Eine Klimawende gibt es nur, wenn es auch eine ökosoziale Wende ist."

So lädt etwa "Wasser ist das Gold der Zukunft – die etwas andere Klimakonferenz" zur Diskussion: "Es ist kein konventionelles, frontales Konferenzformat. Man kann Expertinnen und Experten für eine gewisse Zeit buchen und ihnen eigene Fragen stellen." Eingebettet ist die Konferenz in die Ausstellung "Salt.Lake.City" in Bad Ischl zu den klimarelevanten Themen Salz, Wasser und Holz. Perspektiven kleinbäuerlicher Landwirtschaft widmet sich das Projekt "Ochsenherz und Lavendel": "Da geht es um kreative, innovative Arten, Klein- und Kleinstlandwirtschaften zu entwickeln. Wir leben im Salzkammergut in einer Kulturlandschaft. Ohne Berg- und Kleinbäuerinnen würde es die Landschaft, die der Tourismus ,verkauft‘, in dieser Form nicht geben. Die Wertschätzung ist aber ideell und finanziell nicht zureichend gegeben. Es geht darum, wie die Landwirtschaft so attraktiv werden kann, dass junge Menschen einen Anreiz haben, landwirtschaftlich aktiv zu werden", sagt Jaritsch, die selbst einen Lehrabschluss als Landwirtschaftliche Facharbeiterin in der Tasche hat und ihr Wissen aktiv im elterlichen Betrieb in Ebensee einsetzt.

Auch zwei Garten-Projekte betreut sie, unter anderem den "Garten der heilenden Kräfte" mit der HLW (Höhere Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe) in Bad Ischl. "Gemeinsam mit den Schülerinnen und Experten wird eine Rasenfläche, die derzeit eine biodiverse Brache ist, in einen Schulgarten verwandelt." Das Projekt "Einen Faden ziehen" erinnert hingegen an die 1992 geschlossene Weberei und Spinnerei Ebensee, die bis zu 600 Beschäftigte zählte, "überwiegend Frauen. Es gab ein soziales Netzwerk, Kinderbetreuung und eine Kleinstlandwirtschaft zur Selbstversorgung. Aber es hat dennoch Geschlechterhierarchien gegeben, die Vorabeiter waren meist Männer", sagt Jaritsch, der ein soziales Projekt besonders am Herzen liegt: "Salzkammerqueer" – "das erste queere Community-Building-Projekt im ländlichen Raum mit dem Ziel, die queere Community zu erkunden und den Menschen die Möglichkeit zu geben, anzudocken. Für mich ist das ein Projekt für Toleranz, Achtung, Anerkennung und Wertschätzung der Vielfalt der Identitäten, das auch international auf sehr großes Interesse stößt."
Es gibt Anfragen aus Chemnitz, der Kulturhauptstadt Europas 2025. "Diesen offenen kreativen ländlichen Raum zu schaffen, der sich international öffnet, durchlässig ist in alle Richtungen, vielfältig ist und sich in dieser Vielfalt neu erfindet" wünscht sie sich – nicht nur für "Salzkammergut 2024".
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