"Das Museum hat auf das Land vergessen"
Das Landesmuseum ist Geschichte, Alfred Weidinger leitet seit heute die Kultur GmbH.
Es war Zeit, dass das Landesmuseum nach der verschleierten Kostenexplosion von 1,7 Millionen Euro auf 4,66 Millionen Euro beim Depot-Umbau (die OÖN berichteten exklusiv) zur Ruhe kommt. Seit heute ist die Institution (Schlossmuseum, Landesgalerie, Biologiezentrum plus zwölf weitere Standorte) zuzüglich des neu angeschlossenen Kulturquartiers (OK Offenes Kulturhaus) in die "OÖ Landes-Kultur GmbH" umgewandelt. Mit Geschäftsführer Alfred Weidinger an der Spitze.
Ruhe fühlt sich dennoch anders an. Weil mit dem 58-jährigen Kulturmanager aus Seewalchen, der Vizedirektor der Wiener Albertina und zuletzt Chef des Museums der Bildenden Künste in Leipzig war, gleich ein anderer Wind durch die Gänge pfeift. Auch wenn die ob der Corona-Vorkehrungen menschenleer sind.
Ab heute im Live-Stream
Seit Monaten hat Weidinger Pläne ausgetüftelt, um junge Menschen in die angestaubte Institution zu verführen, um Geschichten über Museum und Land zu erzählen, um den Magnetismus als gesellschaftliches und gesellschaftspolitisches Zentrum neu anzufachen. Nun darf Weidinger endlich werken, aber wegen Corona doch nicht so ganz.
Das stimmt nur bedingt, weil Weidinger schon heute (18 Uhr) mit seinem Live-Stream-Projekt "stories" (Facebook/Instagram: @ooe.kultur) startet. 20 Minuten lang wird er aus dem Schlossmuseum Geschichten, Forschungsprojekte, Gespräche mit Künstlern, Kulturvermittlern und Kuratoren präsentieren. "Das sieht aus, als hätte ich dieses Format für die Corona-Zeit entwickelt, aber das war von Beginn an mein Plan", sagt er. Er will Inhalte, die täglich in Museen ans Licht kommen, für ein breites Publikum authentisch aufbereiten und spannt sich selbst dafür ein. So simpel, so interessant. Im Dialog mit dem Publikum wird er Fragen beantworten und Anregungen einfordern. In Leipzig hat er dieses Format zuletzt getestet.
Die Landesgalerie heißt seit heute wie bei der Eröffnung 1895 Francisco Carolinum und soll zu einem international relevanten Haus für Fotografie und Medienkunst entwickelt werden. Eine Zusammenarbeit mit dem Ars Electronica Center liege auf der Hand, die will Weidinger anbahnen. Und dass Linzer Schulen regelmäßig das Schlossmuseum besucht haben, sei gut, "aber das Museum hat auf das Land vergessen", sagt Weidinger. Deshalb wird er zusammen mit seinen Mitarbeitern in die Peripherie Oberösterreichs ausrücken, von spektakulären Schauplätzen (Archäologie, Pfahlbautensiedlungen etc.) im Internet live berichten und – sobald das Coronavirus es gestattet – Vorträge für die Bevölkerung halten.
In der Zeit nach Corona wird im Francisco Carolinum die Schau "VALIE EXPORT. Collection Care" gezeigt. "Wann auch immer, diese Ausstellung findet statt", sagt Weidinger. Nicht zuletzt wegen des 80. Geburtstags der Linzer Medienkünstlerin (17. Mai). Inhaltlich ebenso unverrückbar ist die Auftakt-Ausstellung im Schlossmuseum: "Friends and Friends of Friends" mit Werken amerikanischer/britischer Instagram-Künstler. Wie etwa jenen des Malers Oli Epp. Der neue Chef verspricht Erkenntnisse darüber, wie sich diese Szene vernetzt und welche Bedeutung das Internet für den Kunstbetrieb erlangt hat.
Vorübergehend zwar geschlossen, aber Weidingers Kultur GmbH klingt schon jetzt nicht nach rückwärtsgewandtem Landesmuseum.
Konzept hört sich gut an, Fotografie würde zuletzt vernachlässigt. Frischer Wind würde auch anderen Linzer Kultureinrichtungen gut tun.
Es kann nur noch besser werden!