Nicolas Mahler: „Mit Comic wird man komisch angeschaut"
LINZ. Der gefeierte Zeichner Nicolas Mahler ist am Sonntag bei „NextComic“ in Linz zu Gast. Die OÖN haben ihn vorab zum Interview getroffen.
Nicolas Mahler ist als Cartoonist der Neuen Zürcher Zeitung und als „Die Zeit“-Illustrator der gefragteste Zeichner Österreichs. Für den Suhrkamp-Verlag gestaltete er Thomas Bernhards „Alte Meister“ und nun „Alice in Sussex“ als Graphic Novel. Am Sonntag signiert der 44-jährige Wiener beim Linzer Festival „NextComic“ ab 13 Uhr im Ursulinensaal seine Werke.
OÖNachrichten: Brauchte es den ehrwürdigen Suhrkamp-Verlag, um Comics endlich im deutschsprachigen Raum eine gewisse Ernsthaftigkeit nachzuweisen?
Nicolas Mahler: Suhrkamp wollte von sich aus eine Comic-Reihe. Der erste Comic bei einem Literaturverlag war „Maus“ (von Art Spiegelman, Anm.) vor mehr als 20 Jahren im Fischer-Verlag. Auf Englisch oder Französisch haben Comic-Bücher Auflagen von 100.000 Stück oder mehr. Es gab also international Vorbilder, endlich haben deutsche Verlage nachgezogen.
Was raten Sie einem Kind, das Comic-Zeichner werden möchte?
Ein Sechsjähriger geht davon aus, dass er Mickey Mouse oder andere Kassenschlager zeichnet. In Frankreich gibt es Comic-Schulen, dort gibt es Zeichner, die vom Buchverkauf leben können. Bei uns ist es schwierig, einen Lebensplan als Zeichner zu entwerfen. Ich hab nach der Matura einen Comicstrip an fünf Zeitungen geschickt und eine hat ihn gleich abgedruckt – das war die AZ damals. Dadurch hab ich erst regelmäßig zu zeichnen angefangen, weil ich täglich etwas liefern musste.
Und wie hat es sich bei Ihnen entwickelt?
Ich komme von den Cartoons. Damit kann man immer Geld verdienen. Sie werden bei Kundenzeitschriften oder Wirtschaftsbeilagen gebraucht – wenn etwas zu fad ist, nimmt man gerne Cartoons.
Wie ist Ihre Position heute – Sie machen Vorschläge und Suhrkamp ist dankbar dafür?
Es ist schon so, dass sie jetzt jeden Vorschlag nehmen – natürlich gibt es Unterschiede in der Begeisterung, weil sie das Buch ja verkaufen müssen. Ursprünglich haben sie mich wegen einer Beckett-Comic-Adaption angefragt, die an den Rechten gescheitert ist. Dann habe ich Thomas Bernhard vorgeschlagen – Bernhard-Stiftung und Verlag waren so begeistert, dass ich machen konnte, was ich wollte.
In welcher Stückzahl werden Graphic Novels aufgelegt?
Es ist schwierig, über 5000 Exemplare zu kommen. Von „Alte Meister“ wurde zwar mehr verkauft, aber es hängt immer an Medien, am Vertrieb und an Buchhändlern.
Wo stellen Buchhändler Ihr Buch hin – zu Comics oder zur Literatur?
Das ist das Problem. Bernhard ist so gut gegangen, dass die Buchhändler gezwungen waren, das Buch zur Literatur zu stellen. Die Grenze ist fließend, man muss von Buch zu Buch entscheiden.
Was hat Sie veranlasst Carrolls Klassiker „Alice im Wunderland“ mit Artmanns „Frankenstein in Sussex“ zu kombinieren?
Das lag für mich auf der Hand, weil Alice in Artmanns Buch ja als Figur vorkommt. Ich wollte nach dem Bernhard-Band etwas machen, das mich beim Zeichnen selbst mehr unterhält, mit komischen Figuren, mit komischem Bildaufbau.
Wird es auch wieder einen Film von Ihnen geben?
Ich bin mit Buchprojekten ausgelastet, außerdem ist das eine Frage von Förderungen. Es ist ja absolut falsch, wenn es heißt, dass Comics in Österreich auf dem aufsteigenden Ast seien, weil sie gefördert werden. Mit Comic wird man noch immer komisch angeschaut.
Inwiefern?
Für das „Alte Meister“-Buch hab ich einen Vorschuss vom Verlag bekommen, aber ich bin dann ein Jahr gesessen und mit diesem Vorschuss komme ich nie auf ein durchschnittliches Mindestgehalt. Deswegen hab ich beim Ministerium um eine Förderung angesucht, die abgelehnt wurde. Das hat mich erstaunt. Jetzt ist es mir wurscht, weil das Buch erfolgreich war. Wäre es nicht so gewesen, hätte ich mir die Arbeit kaum leisten können.
Und?
Was kümmert mich der Ignorant?...