Marie Kreutzer: „Eine Kommune ist eine komplizierte Form Familie“
„Die Vaterlosen“ nennt Marie Kreutzer ihren ersten Spielfilm über die Zusammenkunft von Menschen, die als Kinder gemeinsam in einer Kommune aufgewachsen sind. Der Film wurde bei der Diagonale in Graz gleich vierfach ausgezeichnet: mit dem Großen Spielfilmpreis, jenem für die Bildgestaltung und Ehrungen für die Schauspieler Marion Mitterhammer und Johannes Krisch.
OÖN: „Die Vaterlosen“ ist Ihr erster Langfilm, der Weg dorthin war lang und schwierig...
Kreutzer: Ich habe die Idee zum Drehbuch schon 2004 gehabt, 2005 habe ich dann ein Stipendium für ein Drehbuch bekommen. Eine richtige Drehbuchförderung gab es 2007. Das Schwierigste war, eine Produktionsfirma zu überzeugen. Als wir die hatten, ist es relativ schnell vorangegangen. Ende 2009 konnten wir schließlich zu drehen beginnen.
OÖN: „Die Vaterlosen“ zeigt die Kinder einer Kommune, in der das System zum Scheitern verurteilt war. Was hat Sie an diesem Thema so fasziniert?
Kreutzer: Die Ideologie, die wirklich verlangt, nach ihr zu leben, was sehr schwierig ist. Ich sehe es aber nicht als zum Scheitern verurteilt. Ich denke, es ist menschlich, dass so etwas scheitert, auch dass Kleinfamilien manchmal zerbrechen. Ich habe nicht versucht, allgemein eine Aussage über Kommunen zu treffen. Mich hat das Thema Familie interessiert, insofern ist eine Kommune halt eine größere und kompliziertere Form.
OÖN: Wie haben Sie recherchiert?
Kreutzer: Ich habe viel gelesen, Filme gesehen und mit ein paar – jetzt erwachsenen – Kindern gesprochen, die in einer Kommune aufgewachsen sind.
OÖN: Auf einige Aussagen sind Sie immer wieder gestoßen...
Kreutzer: Die Situation, die in meinem Film vorkommt, dass ein Mann mit einer Frau eine Zweierbeziehung eingegangen ist. Das war gegen die Ideologie und hat somit die Gruppe gespalten. Das hat mir eine Frau erzählt, die in einer Kommune gelebt hat, dass irgendwann Zweierbeziehungen wichtiger wurden.
OÖN: „Die Vaterlosen“ ist ein Ensemblefilm mit bekannten österreichischen Schauspielern von Johannes Krisch bis Andreas Kiendl. Wie ist es dazu gekommen?
Kreutzer: Ich habe die Schauspieler in verschiedenen Konstellationen eingeladen. Mir war am wichtigsten, dass die Schauspieler auch bereit sind, in einer Gruppe zu spielen und dass sie das aushalten, keine klassische Hauptrolle zu haben.
OÖN: Der Große Diagonale-Preis ist mit 21.000 Euro dotiert. Was passiert mit dem Geld?
Kreutzer: Davon werde ich jetzt leben. Die Preise sind beim Film in Österreich sehr wichtig, weil man von diesem Geld dann leben kann. Hätte ich jetzt keinen Preis gewonnen, würde das heißen, dass ich, bevor ich den nächsten Kinofilm mache, diesen oder den anderen Job machen müsste, um zu überleben. Für mich ist das jetzt großartig, weil ich weiß – ich kann schreiben und habe keinen übermäßigen Stress. Und mein Auto ist auch kaputt (lacht).