Die mutlos verwaltete Festspiel-Kunst
Der Salzburger Sommer zwischen pompöser Ästhetik und verlässlichen Klassikern.
Bis 31. August wird bei den Salzburger Festspielen noch geklatscht werden, was die Hände hergeben. Die szenischen Premieren sind geschlagen, das Ende von Sven-Eric Bechtolf als interimistischer künstlerischer Festival-Leiter ist eingeläutet. Bechtolf sprang 2014 zusammen mit Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler ein, nachdem sich Intendant Alexander Pereira trotzig geweigert hatte, Finanzpläne einzuhalten.
Und Bechtolf? Der 58-Jährige ließ sich auch von seinem 65-Millionen-Euro-Budget nicht zu mutigen künstlerischen Impulsen anstiften. In diesem Sommer blieb die uraufgeführte Auftaktoper "The Exterminating Angel" von Thomas Adés das kühnste Projekt. Allerdings war dieses Werk noch von Pereira in Auftrag gegeben worden. Bechtolf verwaltete weitgehend nur dessen Durchführung.
Und hätte nicht Franz Welser-Mösts musikalische Umsetzung von Richard Strauss’ "Die Liebe der Danae" derart beeindruckt, die Oper wäre im goldenen Pomp von Regisseur Alvis Hermanis erlahmt. Genauso opulent ausgestattet, aber künstlerisch nichtssagend blieb Charles Gounods "Faust" (Inszenierung: Reinhard von der Thannen) – eine Produktion unter vielen. Die Wiederaufnahme von Bechtolfs selbst inszenierter Da-Ponte-Trilogie sollte zu Mozarts 260. Geburtsjahr ein Zuckerl werden. Etwas Bedeutendes war trotz seiner Liegezeit nicht herauszuschmecken.
Im Schauspiel, dem Ursprung seiner Kunst, brillierte Bechtolf vor allem selbst: In Thomas Bernhards "Der Ignorant und der Wahnsinnige" veredelte er die Rolle des Doktors. Das Stück war bei seiner Uraufführung 1972 in Salzburg als "Notlicht-Skandal" in die Theatergeschichte eingesickert. Die Erinnerung daran zu pflegen, erschien wichtiger, als einen neuen Autor ins Theater-Bewusstsein zu holen. Mit Shakespeares "Der Sturm" und Becketts "Endspiel" erschöpfte sich der Klassiker-Reigen risikofrei, aber auf höchstem Schauspiel- und Regie-Niveau. Die spannendere dramatische Gegenwart wird auf den Repertoire-Bühnen der Landestheater verhandelt.
Dem ab 2017 amtierenden Intendanten Markus Hinterhäuser hat Bechtolf beträchtliche Steigerungsmöglichkeiten geschaffen.
Die Festspiele 2017: Netrebko, Muti – und Moretti?
Das erste Programm von Intendant Markus Hinterhäuser bei den Festspielen im kommenden Jahr zeichnet sich schon vor der offiziellen Präsentation im Spätherbst ab:
„Aida“: Anna Netrebkos „Aida“-Debüt unter Riccardo Muti wird die persische Filmemacherin Shirin Neshat in Szene setzen und dabei ihr Operndebüt abliefern.
„Wozzeck“: Der südafrikanische Künstler William Kentridge soll Alban Bergs Oper „Wozzeck“ inszenieren – angeblich mit Matthias Goerne in der Titelrolle.
„La clemenza di Tito“: Die Regie für die erste Mozart-Oper nach der vier Jahre lang dominierenden Da-Ponte-Trilogie soll Peter Sellars übernehmen. Musikalisch wurde für diese Produktion Teodor Currentzis mit seinem Ensemble „Musica Aeterna“ verpflichtet.
„Lear“: Franz Welser-Möst soll im nächsten Jahr mit Aribert Reimanns „Lear“ eine zeitgenössische Oper erarbeiten.
„Jedermann“: Hartnäckig hält sich der Name Tobias Moretti als Nachfolger von Cornelius Obonya.
Zu diesem 65-Millionen-Euro-Budget durfte der gewöhnliche Steuerzahler, der nie in den Genuss einer Aufführung kommen wird, ordentlich beitragen, denn die "Salzburger Geschäftsleute wie Hotelbetreiber, Restaurants etc.) weigern sich hartnäckig, einen Beitrag zu leisten.
Die Festspiele sind zu einer "Seitenblicke-Veranstaltung" verkommen, wo sich knochige Ex-Adelige, deren Töchter und Galane selbst Bühne geben und meinen, Glanz und Glorie zu verbreiten.
Und die Rechnung der Umwegrentabilität ist wie immer Schwachsinn, Hauptsache gewisse Kreise haben hochdotierte Jobs, nicht mehr und nicht weniger.