Michael Haneke: Oscar für Österreichs geerdeten Regie-Überflieger
Der Favorit hat gewonnen: Michael Hanekes virtuoses Altersdrama "Amour" wurde mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. Es ist die erste Goldstatue für den 70-jährigen Wiener Neustädter. Er reagiert wie gewohnt: Lässig und mit ruhiger Stimme bedankte er sich.
Dass der großgewachsene Haneke aber selbst im größten Getöse von Glamour und Gloria nie die Erdung verliert, bewies er bereits 2009, nachdem im französischen Cannes sein Drama über die Entstehung von Faschismus, „Das weiße Band“, mit der Goldenen Palme ausgezeichnet worden war: „Natürlich ist die Goldene Palme der Preis für Film als Kunstform, für die Publicity ist es der Oscar.“ Haneke scheut im Leben wie in seinen Filmen nie den Blick auf die Härten hinter den Fassaden.
Nachwuchs-Filmemacher mit 55
Die große Aufmerksamkeit ist er erst seit 1997 gewöhnt: Als seine Gewaltstudie „Funny Games“ als erster österreichischer Wettbewerbs-Beitrag in Cannes lief, wurde er 55-jährig als Nachwuchsfilmemacher gehandelt, als Theater- und TV-Regisseur hatte er sich bereits vorher einen Namen gemacht. 2001 folgte der „Große Preis der Jury“ für die Verfilmung von Elfriede Jelineks „Die Klavierspielerin“, 2005 der Regiepreis für „Caché“, ein beklemmendes Werk über Verfolgung.
Sein Weg zum preisgekrönten Filmschaffenden war kein glatter Durchmarsch. Die Karriere als Pianist scheiterte. Aber er weiß. „Das Entscheidende, ob ein Film funktioniert oder nicht funktioniert, ist seine Musikalität.“
„Eine mentale Macke“
Das Max-Reinhardt-Seminar wollte Haneke genauso wenig. Er studierte Theaterwissenschaft, Psychologie und Philosophie, prüfte später, ob Drehbücher tauglich waren.
Die Grundlage zum Schreiben hatte Haneke, der während des Studiums als Literatur- und Filmkritiker tätig war, bereits als Bub gelegt. „Ich habe schon als Kind mich selbst und alles beobachtet. Das ist wie eine mentale Macke. Eine Krankheit“, sagt er und weiß als Erwachsener um die Nachteile des permanenten Beobachtens: „Man kommt um bestimmte Spontan-Vergnügen.“
Bezug zu hohen Künsten wie dem Theater konnte Haneke schon in seiner Kindheit aufbauen. Seine Mutter war die Burgschauspielerin Beatrix von Degenschild. Mit acht Jahren sah er sie das erste Mal auf der Bühne als Fee in Ferdinand Raimunds „Verschwender“. „Es war ein Riesenspektakel. Sie kam in einem Wagen in der Luft herangesegelt. Ich saß mit meiner Großmutter in der Proscenium-Loge, wo immer die Angehörigen sitzen können, und hab laut gerufen: ‚Jesas, die Mama!’ Worauf hin das ganze Theater in schallendes Gelächter ausgebrochen sein soll.“
Heute sagt der Filmemacher, er sei mit drei Müttern aufgewachsen. „Meiner Mutter, meiner Oma und meiner Tante und die haben sich alle drei überboten im Nett-Sein.“ Probleme seiner Tante im Alter waren auch eine Inspiration, das Drama „Amour“ umzusetzen.
Seit 30 Jahren mit Susanne liiert
Auf seinem langen Weg zur hohen Riege der Meisterregisseure blieb Haneke immer bodenständig. Nach dem bisherigen Triumphzug von „Amour“ (Goldene Palme, vier Europäische Filmpreise) dankte der Vater eines Sohnes zuerst seiner Frau Susanne, mit der er seit 1983 liiert ist. Sie kennt ihren Mann, einen Tüftler, genau und verhindert, dass der Perfektionist „despotisch“ werde. „Er kriegt durch mich eine andere Sicht auf Dinge und wird dazu lockerer.“
Veit Heiduschka, sein langjähriger Begleiter und oscarnominierter Produzent von „Amour“ sagt über ihn: „Er ist ein ungeheuer fleißiger Arbeiter, der nichts dem Zufall überlässt, alles genau wissen will, und wie ein Schachspieler zwei, drei Züge voraussieht. Er hat ein Gespür dafür, Situationen, Figuren zu schaffen.“ Der Regisseur, mit „philosophischen Verständnis und Intellekt“, liebe die Schauspieler. „Sie spüren da und geben das dann auch zurück. Damit kommt eine emotionale Eben beim Film heraus, die den Zuschauer packt. Welcher Schauspieler das auch immer ist: Er mag ihn, er liebt ihn.“
Wozu Preise taugen, weiß er zu gut: „Jeder Preis ist in erster Linie wichtig, weil er die Arbeitsbedingungen verbessert.“ Und die vielen Gratulanten aus der Politik sieht er entspannt: „Das ist man gewöhnt. Aber das muss man aushalten in dem Beruf.“
Links
OÖN-Kritik zu „Amour“
OÖN-Interview mit Michael Haneke über „Amour“
Vollständiger ausgefüllter Nominierten-Fragebogen von Michael Haneke
Mal unabhängig von seinem österreichischen Schulenglisch: Gerade von Haneke habe ich mir für die Dankesrede schon etwas mehr erwartet als nur das übliche "Thank You".
Und bevor sich jemand ernsthaft über Hanekes Englisch aufregt: Er ist generell eher frankophil orientiert (nicht nur weil die Goldene Palme von Cannes ihm sicher mehr bedeutet als der Oscar); sein Französisch ist hervorragend.
...without my main actors I will not stay here...
Was soviel bedeutet wie: ohne meine Hauptdarsteller werde ich nicht hierbleiben...
Ehefrau endet, ist mehr als widersinnig.
Hast Du "Amour" gesehen ?
Die fantastische Emmanuelle Riva - 85 - als schwer demente Ehefrau ?
Ich weiss, Sterbehilfe ist ein sehr heikles Thema.
Aber in derselben Situation würde ich auch die Kraft haben, mein "Schatzi" umzubringen.
Alle, die in glücklicher Partnerschaft alt werden wollen, sollten sich diesen blendenden Film von Haneke ansehen.
Ich wünsche ihm alle 6 Oscars.
Aber einen bekommt er sicher:
Den Oscar für die Hauptdarstellerin Riva.
Das haben sogar die abgehobenen Grössen Hollywoods geschnallt, dass es nicht so einfach ist, mit 85 so eine phantastische Rolle zu spielen !
Ich bin ein grosser Filmfan - seid Jugend an.
Berühmt waren schon immer die französischen Filme.
"Cinema noir" - "Das Schwarze" - Böse, Geheimnisvolle.
Truffaut & Co. - Herrlich !
Amour mit Trintignan und Riva ist auch ein französischer Film, mit Haneke als österreichischem Regisseur, ok.
Ich finde es lächerlich, wenn der ORF sich als "Sponsor" brüstet.
Der ORF Beitrag ist ungefähr so viel wie das Scheisspapier bei mir im WC im Haus.
der Mann arbeitet aus einsichtigen Gründen in Paris.