Die Hitzeschlacht lässt viele kalt
DOHA. Leichtathletik-WM: Im Wüstenstaat Katar gehen die Sportler an ihre Leistungsgrenzen. Doch im heruntergekühlten, halbleeren Khalifa-Stadion interessiert das kaum jemanden.
"Die KATARstrophe" titelte gestern die deutsche "Bild"-Zeitung plakativ. Ausgerechnet inmitten der Klimadebatte veranstaltet der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) derzeit in Doha eine WM, bei der ein Stadion ob der Außentemperaturen von bis zu 40 Grad auf 26 Grad heruntergekühlt wird. Die Hitze treibt die Leichtathleten an die Grenze der Leistungsfähigkeit. Stimmung kam hier an den ersten Wettkampftagen ebenfalls keine auf.
Die 100 Meter der Herren, eigentlich der Höhepunkt bei Leichtathletik-Großereignissen, waren am Samstag sinnbildlich. Das Khalifa International Stadium, das normal Platz für 40.000 Zuschauer bietet, war halbleer. Dabei lief der US-Amerikaner Christian Coleman in der Jahresweltbestzeit von 9,76 Sekunden zum ersten Freiluft-Titel. Gejuckt hat das im Wüstenstaat kaum jemanden. Außerhalb sah das ganz anders aus.
Nur 26 Tage nach seinem umstrittenen Freispruch durch die US-Anti-Doping-Agentur – er hatte innerhalb von zwölf Monaten drei Dopingkontrollen verpasst – musste sich der 23-Jährige bei der Siegerpressekonferenz viele unangenehme Fragen gefallen lassen. "Ich habe nichts falsch gemacht", sagte Coleman mehrfach grimmig und sprach von "falschen Beschuldigungen". Dass Coleman überhaupt starten durfte, rief viele Kritiker auf den Plan. Nur ein Formfehler führte Anfang September zum Freispruch durch die USADA. Einer der "missed tests" sei außerhalb der Einjahresfrist gelegen – also doch kein als Doping zu wertender Fall.
Titelverteidiger Justin Gatlin, selbst ein überführter Dopingsünder, war diesmal chancenlos: In 9,89 Sekunden wurde der US-Altstar Zweiter. An der Atmosphäre im halbleeren Khalifa-Stadion hatte der Ex-Weltmeister nichts auszusetzen. "Es ist doch egal, ob hundert Leute zuschauen oder hunderttausend."
Schon die erste von 49 Medaillenentscheidungen in den frühen Morgenstunden des Samstags brachte einen Eklat. Die Kenianerin Ruth Chepngetich gewann den Marathon vor einigen hundert Zuschauern in 2:32:43 Stunden vor Titelverteidigerin Rose Chelimo aus Bahrain. 28 der 68 gestarteten Läuferinnen gaben aber wegen Erschöpfung vorzeitig auf. Die Bilder von taumelnden, kollabierten und in Rollstühlen abtransportierten Sportlerinnen schockierten. Auch Chelimo gab zu: "Ich habe gebetet, dass ich ins Ziel komme."
"Die optimale Vorbereitung wäre gewesen, wenn man in der Sauna trainiert hätte", hätte Österreichs Siebenkämpferin Ivona Dadic eine scherzhaft gemeinte Lösung für diese Härtebedingungen parat. "Man fühlt sich ein bisschen wie ein Versuchskaninchen. Aber ich denke, in Tokio wird es noch schlimmer", blickte Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger schon auf Olympia 2020.
Künftiger Olympia-Bewerber
Eine Diskussion über Sinn oder Unsinn, die WM in den Wüstenstaat Katar zu vergeben, hält IOC-Präsident Thomas Bach für müßig. Kein Wunder: Katar gilt als künftiger Olympia-Bewerber. Den Funktionär freut’s. Die Sportler sind weniger Feuer und Flamme. (fei)